DOMRADIO.DE: "Ein Mönch muss unbedingt fliehen vor den Frauen und vor den Bischöfen": Das Zitat von Cassianus hat der Zisterzienser-Prior Pater Bruno Robeck zu ihrem Buch beigesteuert, das Sie zusammen mit dem Theologen Marcus C. Leitschuh herausgeben. Pater Robecks Thema ist die Rolle von Leitungspersönlichkeiten in Klöstern, die auf Zeit gewählt werden. Welchen wichtigen Impuls setzt er denn in dieser Frage für die Kirche?
Schwester Katharina Kluitmann OSF (Ehemalige Vorsitzende der Deutschen Ordensobernkonferenz / DOK): Pater Bruno hat wirklich mit einigen für seinen trockenen Humor ganz typischen Sätzen versucht klarzumachen, welche Rolle Orden für diese Leitungspositionen in der Kirche spielen können. Wir haben zum Beispiel in fast allen Klöstern Ämter auf Zeit. Er schreibt da so schön: Es gab Jahrhunderte bei den Benediktiner nur eine Möglichkeit von Abwahl, nämlich dem Tod des Abtes, der in manchen Fällen mangels Alternativen aktiv herbeigeführt wurde. Das ist natürlich keine besonders gute Möglichkeit, das auf Dauer so zu lösen.
Wir haben in fast allen Gemeinschaften Wahlen, wir haben fast überall Ämter auf Zeit. Wir haben die Verpflichtung von Leitungspersönlichkeiten Rechenschaft abzulegen. Die Leitungspersönlichkeiten sind nicht von Gottes Gnaden bei uns, sondern sie sind von der Gemeinschaft gewählt und müssen dieser Gemeinschaft auch Rechenschaft ablegen. Wir sind einfach ein bisschen anders Kirche. Nicht besser, aber anders.
DOMRADIO.DE: Sie sind ja auch sehr beim Synodalen Weg engagiert, dessen nächste Versammlung ansteht. Meinen Sie also, da könnten die Bischöfe sich was abgucken?
Sr. Katharina: Das meinen wir entschieden. Und da sind wir, all die Autorinnen und Autoren, die Schwestern und Brüder in diesem Buch, uns auch sehr einig, dass es ein paar Dinge gibt, die katholisch sind, die in der Kirche schon da sind und die man vielleicht übernehmen könnte.
DOMRADIO.DE: Ein großes Thema auf dem Synodalen Weg ist ja die Rolle der Frauen in der Kirche. Was können denn da die Erfahrungen von Ordensfrauen in diesen vielfältigen klösterlichen Gemeinschaften zu der Frage beitragen?
Sr. Katharina: Also so ungefähr Dreiviertel des Ordenslebens in Deutschland und auch weltweit sind weiblich. Das heißt, wir leben genau da. Wir leben Frauen in Leitungspositionen. Wir leben relativ weitgehend. Natürlich gehören wir zur Kirche, aber wir leben relativ weitgehend selbstverwaltet. Wir nehmen die Leitung wahr und wir machen das auch nicht unbedingt schlecht.
Schwester Scholastika Jurt überlegt in diesem Buch in einem Gebet, was das soll, dass man Frauen von so vielem ausschließt. Schwester Katharina Ganz rechnet nach, dass bei den 14 Nothelfern 21% Frauen sind und dass das ja schon eine ganz nette Quote ist. Kann aber noch besser werden. Wir rechnen mehr mit der Taufe, die wir in unserer Profess noch mal öffentlich bekennen. Wir rechnen mehr mit der Taufe als mit der Weihe. Und dennoch denken wir, Frauen könnten auch Weihe, und das täte der Kirche gut. Und das ist interessant, dass wir uns in diesem Buch, ohne uns groß abgesprochen zu haben, diesbezüglich sehr einig sind.
DOMRADIO.DE: Und wie war es mit der Einigkeit beim Thema Pflichtzölibat? Tendenz eher dafür oder dagegen?
Sr. Katharina: Tendenz noch einiger und eher dagegen. Man kann zunächst mal sagen, dass das sehr überraschend ist, weil wir doch auch ehelos leben. Ja, genau, weil wir ehelos leben und weil das für uns ein wichtiges Charisma ist. Genau deshalb wollen wir nicht, dass das in Misskredit gerät, dadurch, dass es verpflichtend ist.
Dadurch, dass es von manchen in Kauf genommen wird. Dadurch, dass es den Verdacht geben kann, dass es nur in Kauf genommen wird. Das ist etwas, das muss man freiwillig tun. Wir tun das aus Liebe. Und wenn man es aus Liebe tut, dann ist das okay. Ehelosigkeit ist nicht schlechter als Ehe, als andere Lebensformen. Aber es muss freiwillig sein. Da sind wir uns sehr einig.
DOMRADIO.DE: Jetzt reden wir uns hier in Deutschland im Moment in Sachen Synodalen Weg die Köpfe heiß. In Rom wird das ausgebremst, kritisch beäugt. Denn so ein Prozess, heißt es, sei ja nur mit der Weltkirche zu machen. Was sagt denn dazu die indische Ordensschwester Daisy Panikulam in ihrem Buch?
Sr. Katharina: Also wir sind ganz froh, dass wir Schwester Daisy dabeihaben. Die ist auch Synodalin, wie alle Autorinnen und Autoren des Buches. Und sie sagt sehr klar: Das Abbremsen der Reform mit dem Argument der Weltkirche ist für mich nicht plausibel. Ich sehe die Probleme, die in der deutschen Kirche angegangen werden, auch in Indien.
Und dann beschreibt sie, wie schwierig das in Indien ist, diese Probleme offen anzusprechen, bis hin zur Thematik des Missbrauchs, die ja hier in Deutschland der Auslöser für den Synodalen Weg war, was wir bitte nicht vergessen dürfen. Und sie hat eben diese doppelte kulturelle Erkenntnis: Fast 32 Jahre in Deutschland, aber aus einer indischen Gemeinschaft und in Indien groß geworden. Das ist schon sehr spannend. Liebe Brüder und Schwestern, ich darf das, glaube ich, so sagen: Für mich ist das das Highlight, dieser kleine, aber wirklich feine Artikel von Schwester Daisy.
DOMRADIO.DE: Kommende Woche beginnt ja die vierte Vollversammlung des Synodalen Wegs. Sie sind mit dabei. Welches ist Ihr Hauptanliegen? Auch auf dem Hintergrund der Stimmen, die Sie da in Ihrem Buch eingefangen haben?
Sr. Katharina: Ich persönlich gehe wieder in den Ring für die Frage des Pflichtzölibats. Wir Ordensleute sind an sehr unterschiedlichen Stellen. Ich glaube, was wir einbringen, gerade wir Ordensleute, ist, dass es über diese Einzelfragen - Was machen wir mit Frauen? Was machen wir mit Pflichtzölibat? Wie ist das mit der Macht der Bischöfe - dass wir darüber hinaus sagen: Leute, können wir mal Kommunikation lernen?
Wie gehen wir mit Angst um? Wie gehen wir mit Streiten um? Wie gehen wir mit Kommunikation um? Und ich glaube, da haben wir Ordensleute einen Vorteil, weil wir in kleineren Gemeinschaften sind, weil wir beweglicher sind. Vielleicht auch, weil die Krise bei uns schon weiter ist. Und sie wird bei uns nicht aufgefangen durch Kirchensteuern, von denen wir ja nichts sehen. Wir mussten uns schon länger der Krise stellen, und ich glaube, das hat uns gut getan. Das hilft uns, weiter zu denken, neu zu denken. Und wir haben immer sehr viel Kontakt mit Menschen. Und das hilft uns, ein bisschen an der Zeit zu bleiben und nicht Jahrhunderte hinter der Zeit her zu hinken.
Das Interview führte Heike Sicconi.