DOMRADIO.DE: Haben Sie das Gefühl, dass Ihnen die Kranken ausgehen?
Klaus Holzamer (Pfarrer und Seelsorger in Lourdes für deutschsprachige Pilgerinnen und Pilger): Der Eindruck trügt etwas. Wir haben gerade in den letzten Jahren nach der Pandemie eine gewisse Entwicklung, die eine Unterbrechung in vielerlei Hinsicht darstellte. Das betrifft besonders die Kranken. Es war sehr große Vorsicht geboten.
Es ist in Deutschland sehr restriktiv gehandelt worden, sodass man in den Jahren 2020 und 2021 geringe Pilgerzahlen hatte. Deswegen konnte man vor Ort aufgrund der Hygienevorschriften nicht einfach auf die Art und Weise fortfahren, wie das in der Vergangenheit der Fall war. Ich verweise hier auf die Bäder, zu denen die Pilgerinnen und Pilger kamen. Da war bisweilen der eine oder andere Helfer in der Situation, dass er plötzlich nicht so viel zu tun hatte.
Man muss genauer auf die Zahlen schauen. Dort ist eine Entwicklung seit dem Ende der Pandemie zu erkennen. Wir hatten eine Durchquerung von über drei Millionen Pilgerinnen und Pilger im Jahr 2024. Das ist ein Anstieg. Bei den kranken und behinderten Menschen gibt es einen Anstieg von 2,5 Prozent. Die Anzahl der Helferinnen und Helfer ist in dem gleichen Zeitraum um 7,5 Prozent angestiegen. Hier lässt sich erkennen, wie sich dieses Verhältnis entwickelt.
Zudem haben wir unsere Krankenherbergen, in denen viele Freiwillige unterkommen. Dort kommen vornehmlich organisierte Wallfahrten hin. Hier besteht mittlerweile eine Auslastung von 85 Prozent, also sind noch 15 Prozent möglich. Da ist eine gute Tendenz zu erkennen.
Dass uns also die Kranken ausgehen und die Helfer überlaufen, ist in der Vergröberung etwas übertrieben. Es ist aber so, dass die Zahlen gesättigt und stabil sind, auch im Hinblick auf dieses Jahr. Da fangen wir sehr gut an.
DOMRADIO.DE: Wie erklären Sie sich, dass es deutlich mehr Freiwillige und Krankenhauspersonal gibt?
Holzamer: Es entsteht aus diesem Verhältnis der Bereitschaft und dem gleichzeitigen Mangel an großen organisierten Wallfahrten. Das ist traditionell aus dem westeuropäischen Bereich eine sehr starke Stütze in Lourdes gewesen. Hier erkennt man, dass es tatsächlich Schwierigkeiten gibt.
Wir haben auf der einen Seite ein Anwachsen von individuellen Pilgerinnen und Pilgern, zum Teil auch touristischer Art. Es gibt viele privat organisierte Gruppen, auch aus Pfarreien, die sich dann aber selbst versorgen.
Wenn man auf die Helferinnen und Helfern schaut, dann gibt in Lourdes die Hospitalität der Frau von Lourdes, den Deutschen Lourdesverein, der auch in Köln sehr aktiv ist sowie ein Bénévolat, also freiwillige Helferinnen und Helfer. Das hat in den letzten Jahren seit der Pandemie wiederum zugenommen, nachdem es dort eine Unterbrechung gab. Das ist eigentlich ein gutes Zeichen. Ich kann also nicht den Eindruck teilen, dass uns die Kranken ausgehen.
DOMRADIO.DE: Während der Corona-Pandemie 2020 gab es eine Unterbrechung der Präsenzwallfahrten, aber Sie haben ein Online-Pilgern angeboten. Die Besucherzahlen haben sich wieder erholt. Wäre es schlimm, wenn weniger Menschen zu Ihnen kommen, wenn anscheinend sogar Reiseveranstalter auf die Suche nach interessierten Pilgerwilligen, Kranken und Heilsuchenden gehen?
Holzamer: Das ist auch ein Eindruck, von dem ich nicht ausgehe. Es kommen auch junge Menschen nach Lourdes. Wir dürfen Lourdes nicht auf ein Großkrankenhaus reduzieren. Pilgerinnen und Pilger kommen mit ihren Nöten und Sorgen. Sie wollen etwas mitnehmen, was ihnen Halt im Leben gibt.
Das Jahresthema heißt heute: "Mit Maria, Pilger der Hoffnung". Das greift das Heilige Jahr auf und ist ein Impuls, der bei vielen Menschen dazu führt, dass sie nach Lourdes kommen, weil sie dort einen Ort der Begegnung erfahren haben. Das ist ein Sehnsuchtsort für viele, weil wir gerade in der Begegnung mit den Pilgerinnen und Pilgern auch in unserem eigenen Glauben wachsen.
Daher weiß ich nicht, ob dieses verzerrte Bild, dass es so viele Helferinnen und Helfer gibt, der Wirklichkeit standhält. Wir bringen viele Helferinnen und Helfer unter. Andererseits sehen wir diese organisierten Wallfahrten im deutschsprachigen Raum seit 1880 mit dem Deutschen Lourdesverein in Köln. Sie kommen mit ihren Angeboten immer wieder.
Aber mit dieser Unterbrechung durch die Pandemie ist es dazu gekommen, dass auch ein gewisser Generationswechsel stattgefunden hat. Er ist begleitet mit der Glaubensentwicklung in Westeuropa im Allgemeinen. Da besteht diese Bereitschaft, sich für eine große Pilgerfahrt einzusetzen. Dort fehlen uns dann tatsächlich diejenigen, die organisieren und mithelfen.
Das wäre mal ein Grund nachzufragen. Die Malteser sind da immer noch an erster Stelle und haben eine hervorragende Angebotspalette. Sie begleiten unsere deutschsprachigen Pilgervereine und die Diözesen. Dort kann man sich durchaus erkundigen. Dort ist noch Luft nach oben, als Freiwillige da mitzuhelfen.
Dieses Interview führte Katharina Geiger.