DOMRADIO.DE: Wie schätzen Sie die Situation für die Seeleute im Roten Meer ein?
Pastor Matthias Ristau (Generalsekretär der Deutsche Seemannsmission): Nach den Angaben, die ich lesen konnte, sind bis jetzt zwölf Schiffe angegriffen worden. Das sind nicht nur ein paar wenige, sondern relativ viele. Diese Angriffe sind durchaus nicht ungefährlich. Auf dem Schiff von Hapag-Lloyd sind mehrere Container explodiert und ein Feuer ist ausgebrochen. Das Löschen hat mehrere Stunden gedauert. Es hätte noch viel schlimmer ausgehen können.
Für die Seeleute sind solche Situationen potenziell lebensbedrohlich. Es ist auch schon ein Schiff entführt worden, das Roll-on/Roll-off-Schiff GALAXY LEADER. Das ist ein Schiff für den Transport von Fahrzeugen, das oft in deutschen Häfen ankert. Meine Kollegen der Seemannsmission in Bremerhaven kennen das Schiff sehr gut. Dort haben wir ein Foto von dem Schiff aufgestellt, das Schiff von den Huthi-Rebellen überfallen und in den Jemen entführt worden ist.
DOMRADIO.DE: Was passiert mit den Seeleuten? Was geht in denen vor?
Ristau: In dem Fall ist es besonders schlimm. Die Seeleute sind mit dem Schiff entführt worden und sind weiter an Bord gefangen. Die sogenannten Rebellen benutzen das Schiff und die Crew als Touristenattraktion. Das heißt, es werden Leute durch das Schiff geführt. Damit wollen die Rebellen zeigen, was sie Tolles erobert haben, während die Seeleute Gefangene bleiben.
DOMRADIO.DE: Was kann die internationale Gemeinschaft tun?
Ristau: Es ist eine eklatante Verletzung des Völkerrechts und aller internationalen Vorschriften, was da passiert. Ich kann absolut nicht verstehen, wenn irgendwer irgendwelche Sympathien dafür äußert, was da im Jemen geschieht. Das ist ein Angriff auf alles Internationale. Durch die Region fahren Schiffe aus allen möglichen Nationen und Seeleute aus vielen Ländern.
Zehn Prozent des Welthandels gehen über diese Wasserstraße. Das ist vielen in Deutschland nicht klar. Die hören Rotes Meer und fragen sich, was die Seeleute da überhaupt machen. Das sind Schiffe aus Europa, die nach Asien fahren und umgekehrt. Sonst müsste jedes Schiff einen Umweg von 10 bis 20 Tagen rund um Afrika fahren.
DOMRADIO.DE: Einige Reedereien lassen ihre Schiffe bereits den Umweg fahren. Das ist eine zusätzliche Belastung für die Seeleute.
Ristau: Es ist gut, dass überhaupt Aufmerksamkeit für das Thema da ist. Das hat einige Zeit gedauert. Die ersten Angriffe sind schon eine ganze Reihe an Tagen her. Erst als Maersk und Hapag-Lloyd bekannt machten, dass ihre Schiffe nicht mehr die Strecke durch den Suezkanal fahren, kam letztlich die Aufmerksamkeit auf das Thema.
Jetzt passiert langsam was. Wie effektiv das wird, muss man sehen. So ein Containerschiff ist 300 bis 400 Meter lang und 40 bis 50 Meter hoch. Das ist von Land aus nicht schwer zu treffen. Dazu kommt, dass diese Meerenge nicht sehr breit ist.
Um die Menge an Schiffen zu schützen, die dort täglich durchfährt, dafür braucht es ein sehr massives Aufgebot an Marineschiffen in der Region. Wann es dort wieder sicher sein wird, ist eine offene Frage.
DOMRADIO.DE: Die USA planen eine Militärkoalition. Das Vereinigte Königreich, Kanada, Frankreich und Italien haben schon zugesagt. Deutschland prüft noch. Stehen Sie in Kontakt mit der Bundesregierung?
Ristau: Nein, da sind andere dran. Es gibt einen Appell an die Bundesregierung vom Verband Deutscher Reeder. Es ist nicht nötig, dass wir uns da anschließen. Wir haben versucht das Thema breit in die Öffentlichkeit zu tragen. Uns war es wichtig, deutlich zu machen, dass die Seeleute, die durch das Rote Meer fahren, etwas mit uns in Deutschland zu tun haben.
Das Interview führte Oliver Kelch.