Seit 25 Jahren herrscht König Mohammed VI. über Marokko

Vom Hoffnungsträger zum Protz-Despoten

Mehr Freiheit und soziale Gerechtigkeit - versprochen hatte Mohammed VI. den Marokkanern bei seiner Thronbesteigung viel. Gehalten hat er wenig und frönt stattdessem obszönem Luxus. Majestätsbeleidigungen führen schnell ins Gefängnis.

Papst Franziskus und König Mohammed VI. / © Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus und König Mohammed VI. / © Paul Haring ( KNA )

"Wo bleibt der König?", fragten sich viele, als Marokko im vergangenen September von einem schweren Erdbeben erschüttert wurde. Fast 3.000 Menschen kamen ums Leben, Zigtausende waren obdachlos. Mohammed VI. weilte zum Zeitpunkt der Katastrophe in Paris, um seine Autoimmunkrankheit Sarkoidose behandeln zu lassen.

Dort besitzt er im Schatten des Eiffelturms ein Stadtpalais, Wert 80 Millionen Euro. Zwar eilte er bald zurück, besuchte das betroffene Gebiet um Marrakesch aber erst fünf Tage später - und lehnte wegen außenpolitischer Befindlichkeiten die Hilfe vieler Staaten ab.

Auf diesem vom Königspalast veröffentlichten Foto besucht König Mohammed VI. (M) von Marokko die Opfer nach dem Erdbeben im Universitätskrankenhaus "Mohammed VI"  / © Moroccan Royal Palace
Auf diesem vom Königspalast veröffentlichten Foto besucht König Mohammed VI. (M) von Marokko die Opfer nach dem Erdbeben im Universitätskrankenhaus "Mohammed VI" / © Moroccan Royal Palace

Die Episode wirkt bezeichnend für den Herrscher, der vor 25 Jahren seinem verstorbenen Vater Hassan II. auf den marokkanischen Thron folgte und sich über weite Strecken im Ausland aufhält. Gestartet war Mohammed VI. damals nicht als "König wider Willen", wie ihn die französische Presse zuweilen nennt, sondern als "König Wagemut" und Hoffnungsträger.

Mit dem Tod des absolutistischen Vaters am 23. Juli 1999 endete die "bleierne Ära": Politische Repression und wirtschaftliche Unterentwicklung prägten dessen 38 Regierungsjahre; dagegen empfahl sich Hassans 35-jähriger Sohn als Modernisierer, der die Menschenrechte fördern, Korruption bekämpfen und als "König der Armen" die krasse soziale Ungleichheit im Land mildern wollte.

 Religiöses Oberhaupt Marokkos

Die Polizeiwillkür unter seinem Vater ließ Mohammed VI. durch eine Kommission aufarbeiten, Folteropfer und politische Gefangene bekamen Entschädigungen. Noch mehr Lob erhielt er für die Reform des Familienrechts, die unter anderem das Heiratsalter für Frauen auf 18 Jahre anhob, die Polygamie und das patriarchale Scheidungsrecht begrenzte. Gegen den Widerstand konservativ-islamischer Vertreter pochte der König dabei auf seinen Rang auch als religiöses Oberhaupt des Landes. Immerhin führt die Dynastie der Alawiden, die Marokko seit 1664 regiert, ihre angebliche Abstammung auf den Propheten Mohammed persönlich zurück.

Doch der Reformeifer von "M6" rührte nie am royalen Machtkern. Als der Arabische Frühling Anfang 2011 auch Marokko erfasste und Tausende in Rabat und Casablanca "für ein Ende der Unterdrückung" auf die Straße gingen, reagierte der Monarch zwar mit einer demokratischeren Verfassung. Letztlich bleibt die meiste Entscheidungsgewalt aber bei ihm; Regierungen kann er nach Gutdünken ernennen und abberufen. Statt der versprochenen parlamentarischen Monarchien sprechen Beobachter beim System Marokkos von einer "liberalisierten Autokratie".

 Harte Strafen für "Majestätsbeleidigung"

Das zeigt sich nicht zuletzt an den harschen Strafen für "Majestätsbeleidigung", für die schnell bis zu fünf Jahre Haft drohen und in der Vergangenheit etliche Journalisten hinter Gitter kamen.

Auf der jüngsten Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht Marokko auf Platz 129 von 180.

Auch das Versprechen von Wohlstand und sozialer Gerechtigkeit löste Mohammed VI. bisher nicht ein. Imposante Infrastrukturprojekte wie Autobahnen, das größte Solarkraftwerk Afrikas oder der Tiefseehafen Tanger brachten zwar die Wirtschaft auf Touren - bei der breiten Bevölkerung kommt davon allerdings wenig an. Fast jeder dritte junge Marokkaner ist arbeitslos.

 Obszöner Luxus

Mohammed selbst, der gerne volkstümlich im traditionellen Kapuzenmantel Djellaba auftritt, gilt derweil als der reichste Mann Afrikas mit einem geschätzten Vermögen von mehreren Milliarden Euro und einer Gier nach obszönem Luxus. Allein in Marokko besitzt er ein Dutzend Paläste, einen Fuhrpark mit 600 Nobelkarossen, dazu Jachten und Privatjets. Journalisten, die es wagten, die jährliche Apanage von über 200 Millionen Euro für den Protzkönig in Frage zu stellen, verloren ihre Freiheit. Eigentliche Basis des Reichtums ist das weit verzweigte Firmengeflecht der Dynastie.

Doch Europa braucht den Despoten an seiner Südflanke - als Wächter gegen Islamismus und illegale Migration über die Straße von Gibraltar oder in die spanischen Enklaven Ceuta und Melilla sowie als Verbündeten in der arabischen Welt. Zudem macht besonders die französische Wirtschaft gute Geschäfte mit dem Herrscher, der einst an der Universität Nizza über die Zusammenarbeit zwischen dem Maghreb und Europa promovierte. Marokkos Ansprüche auf die 1975 annektierte Westsahara haben aber bisher nur die USA und Israel anerkannt, mit dem Mohammed VI. 2020 die Beziehungen normalisierte.

Wie lange der 60-Jährige noch regiert, ist angesichts seiner angeschlagenen Gesundheit fraglich. Angeblich wird Kronprinz Moulay Hassan (21) bereits mit einer gewissen Eile auf die Nachfolge vorbereitet. Auch der Sohn dürfte dann als Hoffnungsträger den Thron besteigen.

Quelle:
KNA