Seit 250 Jahren pilgern die Wallfahrer aus Much nach Werl

Langer Weg zur Trösterin der Betrübten

Seit 250 Jahren pilgern die Menschen aus dem nordrhein-westfälischen Much zum Gnadenbild der "Trösterin der Betrübten" nach Werl. Mit der Jubiläumswallfahrt lösen die Menschen ein Versprechen ein, das ihre Vorfahren einst abgaben.

Autor/in:
Ina Rottscheidt
Wallfahrtsbasilika Mariä Heimsuchung in Werl / © Tobias Arhelger (shutterstock)
Wallfahrtsbasilika Mariä Heimsuchung in Werl / © Tobias Arhelger ( shutterstock )

Gepackt hat er schon. Es müssen nur noch ein paar Halsbonbons in den Pilgerrucksack, damit er bei Stimme bleibt, erzählt Stephan Höller. Seit 20 Jahren organisiert er als "Brudermeister" die Wallfahrten der Gemeinde St. Martinus im nordrhein-westfälischen Much zum rund 130 Kilometer entfernten Gnadenbild der Gottesmutter in Werl, das zwischen Unna und Soest liegt.

Das Werler Gnadenbild der Trösterin der Betrübten. (privat)
Das Werler Gnadenbild der Trösterin der Betrübten. / ( privat )

Nach der Heiligen Messe um 6 Uhr am Donnerstagmorgen laufen die rund 140 Pilgerinnen und Pilger los. Sechs Tage werden sie unterwegs sein und jeden Tag über 40 Kilometer zurücklegen. Das ist sportlich. Darum hat die Pilgergruppe auch ein eigenes Fußpflegeteam dabei, das sich um Blasen, Schwielen und schmerzende Gelenke kümmert. "Vier Mitpilgernde haben sich extra vorher zeigen lassen, wie man ein Tape anbringt", erzählt Höller. Und wer es gar nicht schafft, darf im Begleitfahrzeug auch mal eine Etappe überspringen.

Beistand von oben

Die Wallfahrt geht auf das Jahr 1774 zurück. Damals grassierte eine Seuche in Much und bedrohte das Vieh und damit auch die wirtschaftliche Existenz der Mucher Bürger. Darum machten sich die Bürger damals auf den Weg ins westfälische Werl, um das dort gewonnene Salz als Heilmittel zu besorgen. Für den Erfolgsfall gelobten sie eine jährliche Wallfahrt zur Gottesmutter nach Werl, die auch "Trösterin der Betrübten" genannt wird. Dieses Gelübde erfüllen die Mucher seit 250 Jahren, jedes Jahr zu Mariä Heimsuchung am ersten Juliwochenende.

Simon Miebach geht seit 1992 mit. Selten hat er ausgesetzt. Für den Pastoralreferenten aus Gummersbach hat die Wallfahrt auch persönlich eine große Bedeutung. Mit 16 lief er das erste Mal mit. In seiner Abiturzeit entschied er sich, Theologie zu studieren. "Aber ich wusste nicht, mit welchem Ziel", erinnert er sich heute. Also betete er bei der Wallfahrt um eine Antwort auf die Frage, ob er zum Priester berufen sei.

Prägende Erlebnisse

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Zwischen Much und Werl lernte er seine Frau Kathrin kennen. "Ich habe das immer als einen Wink Gottes gedeutet", sagt er und schmunzelt. Die beiden sind mittlerweile seit über 25 Jahren verheiratet und pilgern, wenn es sich irgendwie einrichten lässt, regelmäßig mit.

Simon Miebach ist Pastoralreferenten in Gummersbach. Er und seine Frau Kathrin lernten sich bei der Wallfahrt kennen. (privat)
Simon Miebach ist Pastoralreferenten in Gummersbach. Er und seine Frau Kathrin lernten sich bei der Wallfahrt kennen. / ( privat )

Bis heute sind die Pilgerfahrten für Miebach ein besonderes Erlebnis: "Dabei kann ich alle meine Anliegen und Fragen ins Gebet legen", erzählt er, "die Gemeinschaft trägt und motiviert mich und es ist eine Möglichkeit, 'Danke' zu sagen für alles, was meiner Familie an Positivem widerfahren ist." Auch der Wallfahrtsleiter Höller hat ein Buch voller Fürbitten dabei von all denen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht mitlaufen können: Dass man seine Sorgen und Anliegen vor die Gottesmutter in Werl trägt, ist heute so aktuell wie vor 250 Jahren.

Nachwuchs gesichert

Dass man auch nach so langer Zeit diese Tradition hochhält und so viele Pilgerinnen und Pilger mobilisiert bekommt, darauf sind Höller und sein Team besonders stolz. Nach Corona waren die Zahlen eingebrochen und in Zeiten, in denen sich die Menschen von der katholischen Kirche abwenden, ist es nicht leicht. Man versuche gezielt, auch junge Menschen dafür zu begeistern, erzählt Höller. Die Mucher seien stolz, Teil dieser Tradition zu sein und wenn die Pilgergruppe am 10. Juli zurückkehre, sei das ganze Dorf auf den Beinen.

Dass der Sommer sich in diesem Jahr eher von seiner verregneten Seite zeige, macht ihm keine großen Sorgen, von Sonnencreme bis regenfestee Kleidung habe er alles eingepackt. "Regen und Sonne machen uns nichts aus, aber Gewitter sind immer kritisch", erzählt er. Mit einer Gruppe von 140 Leuten sei das Unterstellen nicht so einfach, "da müssen wir immer gut abwägen, ob wir weitergehen."

Er und sein Team haben in den kommenden Tagen viel zu tun. Immer gibt es etwas zu organisieren. Das alles macht Höller ehrenamtlich. Im richtigen Leben ist er Gastwirt, aber hinter die Theke muss er nach seiner Rückkehr erst mal nicht. Wenigstens ein paar Tage hat er frei: "Dann werde ich erst mal ausschlafen und die Füße hochlegen!"

Was bedeutet "Wallfahrt"?

Das Wort "Wallfahrt" stammt vom Wort "wallen" ab und bedeutet in eine bestimmte Richtung zu ziehen oder unterwegs zu sein. Durch das lateinische Wort "Peregrinatio religiosa" meint es einen Besuch in einer Pilgerstätte mit dem Zurücklegen eines Pilgerwegs. Eher das Ziel steht bei einer Wallfahrt im Vordergrund, weniger der Weg. 

Aus dem Grund sind Christen früher wie heute an bestimmten Heiligen Stätten besonders nahe: im Heiligen Land, an Gräbern von Aposteln, in Rom, Assisi, Lourdes, Loreto, Fatima, Altötting, Kevelaer, Werl, Telgte oder Bethen. 

Keine Wallfahrt nach Altötting / © Armin Weigel (dpa)
Keine Wallfahrt nach Altötting / © Armin Weigel ( dpa )
Quelle:
DR