Seit 60 Jahren Wäscherprinzessinnen im Bonn-Beueler Karneval

Blütenweißer Frauenaufstand gegen Machismo der Adenauer-Ära

Die Wäscherprinzessin ist einzigartig im deutschen Karneval. Sie erobert traditionell die Rathausschlüssel und regiert für eine Woche mit närrischer Hand. Erfunden wurde die Frauenfigur ausgerechnet von einem Westfalen.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Wäscherin Linda, Franzi I., Wäscheprinzessin 2018, Wäscherin Ariane (v.l.n.r.) / © Alexander Brüggemann (KNA)
Wäscherin Linda, Franzi I., Wäscheprinzessin 2018, Wäscherin Ariane (v.l.n.r.) / © Alexander Brüggemann ( KNA )

Prinz, Bauer, Jungfrau: Im Karneval in Bonn-Beuel sind das nicht mehr als alte Schlipse, die abgeschnitten gehören. Rechts des Rheins, auf der Sonnenseite der früheren Bundeshauptstadt, haben ab Weiberfastnacht wieder die Frauen das Sagen.

Die Tradition der hart arbeitenden Waschfrauen, die den Karneval nicht allein den Männern überlassen wollten, ist bereits 194 Jahre alt - fast so lang wie der rheinische Straßenkarneval. Aber erst seit der Session 1958, also seit genau 60 Jahren, haben die Beueler Frauen ihre eigene Monarchin. An Weiberfastnacht erobert die Wäscherprinzessin traditionell die Schlüssel des Rathauses und regiert für eine Woche mit närrischer Hand.

Stadtteil Beuel als "Wäscherstadt"

Beuel, seit 1969 in Bonn eingemeindet, aber mit dem Sitz von T-Mobile sozusagen selbst ein Global Player, war zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch ein unbedeutendes Dorf. Es verdankte seinen Aufschwung vor allem den zahlreichen Wäschereien. Mit der Gründung des Alten Beueler Damenkomitees 1824 wurde die "Wäscherstadt" zur Keimzelle der rheinischen Weiberfastnacht.

Zunächst war es ein harmloser Kaffeeklatsch der Waschfrauen, die nicht einsehen wollten, dass ihre Männer die frische Wäsche nach Köln auslieferten und dann dort Karneval feierten, während sie selbst weiter schwitzen sollten. Obwohl der Betrieb also aus emanzipatorischen Gründen vorübergehend ruhte, wird in diesen Mußestunden wohl die eine oder andere schmutzige Wäsche gewaschen worden sein.

Fest steht, dass die Späße der Möhnen - der verheirateten Frauen - mit den Jahren immer mutiger, die Mitglieder zahlreicher und die Traditionen vielfältiger wurden. Hier konnte man Dampf ablassen und sich straflos so manchen Frust über die schwere Arbeit von der Seele reden. Auch mehr und mehr Angehörige anderer Berufsgruppen stießen als Mitglieder hinzu. Der Tag begann mit einem Umzug und setzte sich mit der "Wiever-Sitzung" (Weiber-Sitzung) fort. Erst am Abend durften Männer in den Saal und die Damen zum Tanz auffordern - oder auch bloß die Zeche bezahlen.

Was der Weiberfastnacht freilich bis nach dem Zweiten Weltkrieg fehlte, war eine Galionsfigur. Etwa zur gleichen Zeit, als in den Bonner Ministerien selbstbewusste Wirtschaftswunder-Sekretärinnen begannen, ihren Chefs am Karnevals-Donnerstag das Statussymbol Krawatte abzuschneiden, setzte in Beuel der Brauch des "Rathaussturms" ein; 1957 zunächst noch mit der "Obermöhn" an der Spitze des Damenkomitees.

Für die Session 1958 wurde schließlich mit Barbara I. von der Wäscherei Beu die erste Wäscherprinzessin gekürt. Das moralisch blitzsaubere Motto: "Von Zoten frei die Narretei". Barbara I. starb übrigens an Silvester 2016 mit 79 Jahren in Issum am Niederrhein.

Wäscherprinzessin einzigartig im deutschen Karneval

Die Figur der Wäscherprinzessin ist einzigartig im deutschen Karneval. Erfunden wurde sie vom damaligen Beueler Stadtdirektor Franz Brock, einem Westfalen - ausgerechnet. Da die Zahl der Beueler Wäschereien von 92 im Jahr 1905 auf heute nur noch 4 zurückgegangen ist, wurden seit 1965 auch fleißige Nichtwäscherinnen gekrönt. Mitglied in einem der inzwischen 20 Damenkomitees müssen sie allerdings schon sein.

Doch auch dafür gab es zwei historische Ausnahmen, wie sich die Beueler Schneidermeisterin Elisabeth Krämer erinnert. Insgesamt 26 Mal fertigte sie seit 1967 das Kostüm der Wäscherprinzessin, das seitdem einen blauweißen Look aus Samt und Spitze besitzt. Die erste Trägerin war Französin: Francoise I. (Enel) aus Beuels Partnerstadt Mirecourt in Lothringen. Für die Anprobe musste sie eigens aus der Heimat anreisen, um sich dann in der Session 1968 in zeitgemäßem Chic - kurzberockt - der Menge zu präsentieren. 1994 folgte als zweite Französin Luci I. (Petitjean), ebenfalls aus Mirecourt.

In der Jubiläums-Session 2018 regiert nun die gebürtige Paderbornerin Franzi I. (Sprenger, 25) - eine Namenspremiere, sieht man von der Französin Francoise I. vor genau 50 Jahren ab. Aber bei den Päpsten gab es schließlich auch schon 25 mal Johannes und 16 mal Benedikt - aber erst einen Franziskus.


Quelle:
KNA