Im Erzbistum München und Freising werden zwei Seligsprechungsverfahren vorbereitet. Sie gelten dem NS-kritischen Publizisten Fritz Gerlich (1883-1934) und dem Religionsphilosophen Romano Guardini (1885-1968).
Zeugenbefragungen und Einwände
In der diözesanen Phase der Prozesse werden Zeugen befragt, die über Persönlichkeit, Biografie und Wirken der beiden Auskunft geben können. Alle Gläubigen sind dazu aufgerufen, dem Erzbistum entsprechende Informationen zukommen zu lassen. Dabei geht es auch um Hinweise auf etwaige Verfehlungen oder problematische Äußerungen.
Der mit beiden Verfahren beauftragte Postulater Johannes Modesto rechnet bei Gerlich mit einer kürzeren Bearbeitungszeit. Sein Fall könnte in München bis 2021 abgeschlossen sein, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Montag in München.
"Bei Guardini werden wir wohl drei Jahre länger brauchen." Es schließt sich eine zweite Phase bei der Heiligsprechungskongregation im Vatikan an, bevor der Papst die Entscheidung trifft. Die bisher letzte Seligsprechung eines Angehörigen des Erzbistums München und Freising war 1988 die des Redemptoristenpaters Kaspar Stanggassinger.
Illustrierte wird NS-kritisches Kampforgan
Fritz Gerlich (1883 bis 1934) zählt zu den frühesten Gegnern der NS-Bewegung und zu ihren ersten Opfern. Mit seiner Wochenzeitung "Der gerade Weg" versuchte er ab Sommer 1931 Adolf Hitlers Weg an die Macht zu verhindern und nahm dafür den eigenen Tod in Kauf.
Gerlich stammte aus einer calvinistischen Stettiner Familie, studierte in München verschiedene Fächer und landete zunächst im bayerischen Archivdienst. Seine politischen Ansichten wechselten zwischen linksliberal und nationalkonservativ. Ein Habilitationsprojekt scheiterte, auch die Bewerbung um ein Abgeordnetenmandat.
Ab 1920 war Gerlich Hauptschriftleiter bei den "Münchner Neuesten Nachrichten" und stützte ihren antirepublikanischen Kurs, zunächst auch mit Sympathien für die NS-Bewegung. 1928 musste er nach einem Zerwürfnis mit der Geschäftsführung gehen.
Lebenswende durch Begegnung mit Therese Neumann
Die Begegnung mit der oberpfälzischen Ekstatikerin Therese Neumann führte zu einer Lebenswende. Zunächst wollte Gerlich sie als Schwindlerin entlarven, dann konvertierte er 1931 zum Katholizismus. Im Kreis um Neumann fand Gerlich Mitstreiter für seine neue Mission, den geistigen Kampf gegen die Nazis.
Hitler ließ ihn im März 1933 einsperren. Die "Schutzhaft" bis zu seiner Ermordung im Sommer 1934 ertrug Gerlich Mitgefangenen zufolge im Gebet und in der Vertiefung in theologische Lektüre. Fritz Gerlich wurde ohne Anklage oder Prozess wurde er in der Nacht auf den 1. Juli 1934 im Konzentrationslager Dachau ermordet.
Gerlichs kühner Versuch des publizistischen Widerstandes blieb lange unbeachtet. 2016 legte der Speyerer Historiker Rudolf Morsey eine umfassende wissenschaftliche Biografie vor. In München und Regensburg erinnern Denkmäler an den streitbaren Journalisten. Die katholische Kirche nahm ihn 1999 in ihr "deutsches Martyrologium des 20. Jahrhunderts - Zeugen für Christus" auf und verleiht jedes Jahr einen nach ihm benannten Filmpreis.
"Gewissen in einer Zeit der Gewissenlosigkeit"
Der Münchner Journalist Heribert Prantl nennt Gerlich "das Gewissen in einer Zeit der Gewissenlosigkeit". Der Münchner Historiker Paul Hoser verweist auf Schattenseiten. In den frühen 1920er Jahren habe Gerlich einen ehemaligen bayerischen Minister in den Tod getrieben.
Für Gerlich wird ein Märtyrerprozess geführt, der etwas anderen Regeln folgt. Zu prüfen ist vorrangig, ob der Publizist seines Glaubens wegen ermordet und nicht nur als politischer Gegner beseitigt wurde. Ob er sein ganzes Leben lang die christlichen Tugenden beherzigte, tritt demgegenüber in den Hintergrund.
Der Theologe und Religionsphilosoph Romano Guardini
Romano Guardini (1885-1968) gilt als einer der einflussreichsten katholischen Denker des 20. Jahrhunderts. Guardini nahm gestaltend Einfluss auf die katholische Jugend- und Liturgiebewegung und wurde so zu einem geistigen Wegbereiter des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 bis 1965).
In München zählte er zu den Mitbegründern der Katholischen Akademie in Bayern. Als wortmächtiger akademischer Lehrer und Autor prägte er Generationen. Wie nur wenigen gelang ihm der Brückenschlag zwischen moderner Lebenswelt und religiöser Symbolik, zwischen Glauben, Wissenschaft und Kunst.
Der gebürtige Veroneser wuchs in Mainz auf, wurde dort 1910 zum Priester geweiht und nahm ein Jahr später die deutsche Staatsbürgerschaft an. Nach Studien in Freiburg und Tübingen habilitierte er sich 1922 in Bonn mit einer Arbeit über den mittelalterlichen Franziskanertheologen Bonaventura. Kurz darauf wurde er auf den neu errichteten Lehrstuhl für "Religionsphilosophie und Katholische Weltanschauung" an der Universität Berlin berufen. 1939 verfügten die Nationalsozialisten seine Zwangspensionierung.
Friedenspreis des deutschen Buchhandels
Gleich nach dem Krieg richtete der Württembergische Kultusminister Carlo Schmid einen Lehrstuhl für Guardini in Tübingen ein. 1948 folgte der Ruf nach München, wo er bis zu seiner Emeritierung 1962 lehrte und Universitätsprediger war. 1952 erhielt der Religionsphilosoph den Friedenspreis des deutschen Buchhandels, gefolgt von vielen weiteren hohen Auszeichnungen.
Zu einer Mitarbeit beim Zweiten Vatikanischen Konzil kam es nicht mehr, da Guardini in seinen letzten Lebensjahren vermehrt unter Depressionen litt. Sein Nachlass wird seit 1982 durch die von ihm mitbegründete Katholische Akademie in Bayern verwaltet, die auch einen nach ihm benannten Preis vergibt. In Berlin gibt es bis heute eine Guardini-Stiftungsprofessur. Der Guardini-Lehrstuhl in München ist seit 2012 nicht mehr besetzt und soll umgewidmet werden.