DOMRADIO.DE: Welche Tipps haben Sie für Eltern: Was können Eltern und Angehörige selbst aktiv tun, um Kinder vor Gewalt zu schützen?
Ralf Schmitz (Gewaltpräventionsexperte der "Sicher-Stark-Initiative"): Ganz wichtig – gerade vor der stressigen Weihnachtszeit – ist es, den Kindern zuzuhören. Sie sind ja noch alle bis zum Weihnachtsfest in der Schule oder in der Kita und da geht es ja auch sehr stressig zu. Nehmen Sie sich jetzt gerade, wenn es um die Weihnachtszeit geht, mindestens 15 Minuten am Tag Zeit für Ihr Kind: "Was hat es für Probleme? Was hat es für Sorgen?" Hören Sie Ihrem Kind einfach viel mehr zu und sprechen Sie mit Ihrem Kind. So erfahren Sie im Vorfeld, ob es gemobbt wird oder Gewalt erfährt, oder ob es ihm oder ihr nicht gut geht.
DOMRADIO.DE: Themen wie Gewalt und Missbrauch sind Themen, die mit Kindern nicht einfach so diskutiert werden können. Wie bringen Sie Kindern diese Themen nahe?
Schmitz: Das Thema Kinderschutz ist ein ganz sensibles Thema. Das sollte in Deutschland nur von Vollblut-Profis und qualifizierten Personen umgesetzt werden. Im Sicher-Start-Team arbeiten nur Pädagogen, Psychologen, Polizeibeamte und Kindertherapeuten, die jede Woche in den Grundschulen und Kitas unterwegs sind, um die Kinder zu schützen. Es ist wichtig, die Kinder spielerisch abzuholen und mit ihnen das Thema Mut über Spiele zu vermitteln, sodass der Spaß auf keinen Fall auf der Strecke bleibt.
DOMRADIO.DE: Und sie sollen in keinem Fall Angst bekommen, oder?
Schmitz: Gerade solche Situationen, die in Deutschland täglich vorkommen, sind Horrorszenarien für Eltern, wenn sie hören, dass wieder ein Kind entführt worden ist, dass ein Kind gemobbt worden ist, dass ein Kind nicht mehr in die Kita oder in die Grundschule gehen will, weil die anderen so fies zu diesem Kind sind. Am besten sollte so etwas gar nicht passieren. Wenn es aber passiert, dann haben wir viele Methoden entwickelt, um dem Kind zu helfen bzw. um die Kinder letztendlich zu stärken. Ich mache den Beruf auch schon seit mehr als 20 Jahren.
DOMRADIO.DE: Sollen sie zum Beispiel Selbstvertrauen bekommen und so gestärkt und mutiger werden, um sich zu trauen, zu (wider)sprechen?
Schmitz: Auf jeden Fall ist das ein ganz wichtiges Thema. Gerade der Kita-Bereich ist eigentlich der Bereich, in dem man den Kindern noch am meisten beibringen kann. Das geht etwa bis zur Grundschule. Wenn sie dann in weiterführende Schulen gehen, wird es schwierig mit der Gewaltprävention und mit dem Thema, Kinder stark zu machen, ihnen Mut zu machen, Selbstvertrauen zu vermitteln. Denn wenn sie es nicht im Kindergartenalter schon gelernt haben, "Nein" zu sagen – wann dann?
DOMRADIO.DE: Sie selbst waren früher Polizeibeamter. Haben Sie aus dem Beruf etwas für die heutige Arbeit mitgenommen?
Schmitz: Ja, das ist schon sehr lange her. Ich bin ja mittlerweile seit 27 Jahren in den Kitas und in den Grundschulen unterwegs, um Kinder vor Missbrauch von Gewalt, vor Übergriffen und vor den Gefahren aus dem Internet zu schützen – denn das ist in den letzten zehn Jahren auch dazugekommen.
Ich konnte aus meiner polizeilichen Ermittlungsarbeit mit vielen Straftätern, die Kinder missbraucht haben, sehr viel mitnehmen. In meinem tollen Expertenteam tauschen wir uns aus. Das kommt den Kindern, den Eltern und den Fachkräften in den Einrichtungen zugute.
Das Interview führte Thommy Millhome.