DOMRADIO.DE: Seit November gibt es erneut kämpferische Auseinandersetzungen in Äthiopien. Worum geht es in dem Konflikt?
Patrick Kuebart (Caritas International): Bewaffnete Konflikte haben oftmals sehr komplexe Ursachen. Aber wenn ich es kurz darstelle, dann ist es ein Machtkampf zwischen der Nationalregierung und der Volksbefreiungsfront von Tigray, abgekürzt TPLF, die circa 30 Jahre lang an der Macht in Äthiopien war. Diese hat sie aber 2018 verloren und sich dann nach Tigray zurückgezogen, in die Region, aus der sie ursprünglich stammt.
Seitdem ist ein Machtkampf zwischen ihnen und der neuen Nationalregierung unter dem Premierminister Abiy Ahmed entbrannt, der dann Ende November in diese bewaffnete Auseinandersetzung gemündet ist.
DOMRADIO.DE: Sie kennen die Lage in Äthiopien. Wie leben die Menschen in dem Land?
Kuebart: Viele Menschen leben grundsätzlich in sehr einfachen Verhältnissen. Ein Großteil der Menschen lebt unter der Armutsgrenze. 80 bis 85 Prozent leben von der Landwirtschaft. Sie betreiben Subsistenzlandwirtschaft, also bauen Lebensmittel für den eigenen Bedarf an oder sind dort beschäftigt.
DOMRADIO.DE: Hungersnot kenne ich noch aus meiner Schulzeit. Ein häufiges Thema in den 80er und 90er Jahren. Warum ist die Hungersnot in Äthiopien wieder so akut?
Kuebart: Grundsätzlich sind die Lebensverhältnisse in Äthiopien sehr einfach. Die Menschen sind oftmals von Dürre, manchmal auch von Fluten bedroht. Die landwirtschaftlichen Werkzeuge, die ihnen zur Verfügung stehen, sind sehr einfach. In Tigray ist es jetzt besonders dramatisch, weil Ende letzten Jahres, als der Konflikt entstand, ein Großteil der Ernte vernichtet wurde. Zum Teil durch den Konflikt selber, zum Teil aber auch durch Heuschrecken oder durch Dürre.
Die Menschen konnten somit eben keine Ernte einholen. Das heißt, sie haben akut jetzt nichts zu essen. Das ist momentan extrem schwierig, humanitäre Hilfe in die Region zu bringen und die Menschen zu versorgen. Das besorgt uns und unsere Partner, die dort vor Ort sind, natürlich extrem.
DOMRADIO.DE: Jetzt kommen zwar einige Hilfsleistungen in Tigray an, aber es gibt auch Stimmen, die behaupten, dass das viel zu wenige sind, weil die Zentralregierung sich dagegen stellt. Wie erleben Sie das als Hilfswerk?
Kuebart: Es ist für uns sehr schwierig, in die Region hineinzukommen. Es ist für uns gleichzeitig auch schwierig zu sagen, woran das genau liegt. Zum Teil liegt es sicherlich an den Gegebenheiten vor Ort. Zum Teil liegt es daran, dass es auch nur einen Zugang in die Region gibt. Es gibt nur eine Straße, die dort hineinführt.
Alle humanitären Lieferungen werden dort genau überprüft. Die Zentralregierung möchte verhindern, dass getarnt Waffen in die Region gebracht werden. Das heißt, sie kontrollieren jede Ladung und das verlangsamt den Prozess sehr. Wir müssten in etwa 70 bis 100 LKW pro Tag in die Region bringen. Es kommen aber vielleicht, wenn es gut geht, 30 am Tag durch. Das ist natürlich ein großes Problem.
DOMRADIO.DE: Wie können Sie denn vor Ort helfen?
Kuebart: Wir haben verschiedene Partnerorganisationen, die schon lange dort für uns tätig sind und mit denen wir schon lange dort Projekte umsetzen. Sie verteilen Lebensmittel, zum Teil auch Bargeld, an die Menschen vor Ort. Es gibt eine große Zahl an Menschen, die jetzt wegen des bewaffneten Konfliktes auf der Flucht sind. Um diese kümmern sie sich.
Aber auch die Banken vor Ort sind geschlossen. Das heißt, unsere Partner haben überhaupt gar keinen Zugriff auf Barmittel, können also auch vor Ort nichts kaufen. Wir können gerade nichts hereinbringen oder sehr wenig hereinbringen. Das ist wirklich das große Problem und besorgt uns als Caritas sehr.
Das Interview führte Tobias Fricke.