DOMRADIO.DE: Der Papst habe im Rahmen der Amazonas-Synode im Vatikan die "heidnische Göttin Pachamama" angebetet und damit die Kirche des Apostels Petrus entweiht, so der Vorwurf der Franziskus-Kritiker. Wenn im Zuge der Amazonas-Synode Indigene ihre eigenen Riten und Symbole mitbringen, inwieweit ist das mit der kirchlichen Liturgie und Lehre zu vereinbaren?
Dr. Bruno Hünerfeld (Priester der Erzdiözese Freiburg, beschäftigt sich bereits länger mit Kritik an Papst Franziskus): Das ist sehr gut zu vereinbaren. Die Pachamama ist eine personifizierte Mutter Erde und für einige Nichtchristen ist sie tatsächlich ein Symbol oder auch eine Göttin. Aber für die Christen, die den Glauben angenommen haben, ist auch die Pachamama ein Symbol für die Mutter Erde, für den Respekt vor dem, was die Schöpfung uns bringt. Papst Franziskus hat das aufgegriffen. Auch in einigen Kulturen wird die Pachamama ja auch mit der Mutter Gottes verglichen. Da gibt es auch ganz starke Symbiosen.
Und die katholische Kirche hat es immer ausgezeichnet, dass sie offen für andere Kulturen war. Wir sind eine Religion, die missionieren möchte, die den Glauben weiterbringen möchte und einen sehr guten Kontakt haben möchte.
Ich möchte das mit etwas vergleichen, was ich aus Köln mitbekommen habe und was mich als Schwarzwälder sogar erstaunt. Zu Beginn der Saisoneröffnung der Bundesliga gibt es einen großen Gottesdienst im Kölner Dom. Dann sind alle Fans des FC anwesend und schwenken ihre Fahnen. Mit ganz starken religiösen Implikationen wird der Fußballverein da bedacht.
Da könnte man ja auch fragen: Was würde da ein Indigener denken, wenn er das im Kölner Dom erlebt? Aber genau das will ja die Kirche: Das aufnehmen, was Menschen bewegt, ihre Emotionen übertragen in einen Dialog mit dem Glauben an Jesus Christus, der für uns gelebt hat, der für uns gestorben ist. Darum ist es sehr, sehr gut übertragbar.
DOMRADIO.DE: Also hat der Papst jetzt nicht Götzenanbetung legitimiert?
Hünerfeld: Auf gar keinen Fall, ganz im Gegenteil. Wir haben einen Papst, der in einer ganz starken Art und Weise ein wahrnehmender Papst ist. Das unterscheidet ihn von seinen Vorgängern fundamental. Ich würde sagen, er führt ein kontemplatives Papstamt. Er betrachtet die Dinge. Er hört erst mal hin, und er schaut dann: Was kommt mir da entgegen vom Evangelium Christi?
Die ganzen Synoden, die er abgehalten hat, sind ja genauso aufgebaut. Erst ein Hinhören. Wie ist die Situation? Ich würde sogar sagen, das zeigt auch sein Urteil, das er damals im Flugzeug darüber gesagt hat, welche Bedeutung die Homosexualität hat. Er hatte dann gesagt: "Wer bin ich, um darüber zu urteilen?" Er ist ein Papst, der zuerst wahrnimmt und sich fragt: Was ist da los? Was geschieht da?
Er hat auch letzte Woche in der Generalaudienz am Mittwoch vor den vielen Menschen über Götzenanbetung gesprochen. Er hat also genau dieses Thema hier noch einmal aufgegriffen. Dabei hat er auf Paulus verwiesen, der nach Athen auf den Areopag kam. Da hat er gesagt: Wie kam denn Paulus? Paulus kam nicht mit einer Feindseligkeit und hat nicht gesagt: Hier sind überall Götzen. Sondern er kam mit der Sicht des Glaubens und hat auch anhand der Gestalt des sogenannten Unbekannten Gottes etwas gefunden, wo er unseren Glauben, unsere große Hoffnung mit den Athenern ins Gespräch bringen konnte.
DOMRADIO.DE: Geht es hier denn überhaupt um so etwas wie die Pachamama? Oder geht es eher darum, einfach nur Papst Franziskus zu kritisieren?
Hünerfeld: Ich glaube schon, dass es eine sehr große Opposition gegen den Heiligen Vater gibt, die auf eines genau abzielt, nämlich ihn als Häretiker zu brandmarken, also als jemanden, der den Glauben verrät. Wir erinnern uns an Amoris laetitia, an die "Dubia" der Kardinäle, wo ja auch deutsche Kardinäle daran beteiligt waren. Auch damals wurde gesagt: Du verrätst den Glauben?
Wir erinnern uns auch daran, wie seine Erklärung in Abu Dhabi mit den Weltreligionen kritisiert worden ist. Das ist immer wieder das große Thema der großen Opposition von Franziskus, die ihm vorwerfen: Papst Franziskus, du gibst den Glauben auf. Das ist ein Schema, das sich bei all diesen Kritiken durchzieht.
DOMRADIO.DE: Man kann schon sagen, dass Papst Franziskus mehr von kircheninternen Kreisen öffentlich kritisiert wird als zum Beispiel seine Vorgänger Benedikt XVI. und Johannes Paul II. Warum ist das so?
Hünerfeld: Ich glaube, das hängt mit dem völlig anderen Stil des Papstes zusammen. Papst Benedikt XVI. hat ja die Entweltlichung gepredigt. Und nun haben wir einen Papst, der sagt: Geht in die Welt, geht an die Ränder, nehmt den Geruch der Schafe an. Wir wollen eine verbeulte Kirche, die bei den Armen ist. Das ist ein völlig anderes Weltverhältnis, das Benedikt und Franziskus unterscheidet. Und gerade diejenigen, die die katholische Kirche oder die Kultur lieben, weil sie sich von der Welt in besonderer Weise in ihrer Liturgie und in den anderen Dingen abgrenzt, sind natürlich in einem Höchstmaß verstört.
Dann war der Papst bisher immer jemand, der auch gelehrt hat. Besonders Johannes Paul II. hat es in einem starken Maße in Anspruch genommen. Ich bin der Lehrer und ich deute auch die Dogmen und so weiter. Papst Franziskus dagegen lehrt nicht, sondern er ist, wie gesagt, ein Hörender, ein Wahrnehmender, der versucht, auf eine ganz andere Art und Weise den Willen Gottes wahrzunehmen. Wir erleben hier einen großen Bruch. Und der verunsichert, der verstört und ruft Opposition hervor.
DOMRADIO.DE: Er wurde ja zur Buße aufgerufen. Was bedeutet das für die Auffassung vom Papsttum?
Hünerfeld: Diese Argumentation ist ganz typisch für diese Kreise. Denn diese Kreise, die gegen den Papst agieren, halten sich für besonders fromm. Und sie kommen natürlich mit sehr starken spirituellen Argumenten, wo sie dann schnell sagen: Hier ist der Satan oder der Rauch des Satans eingezogen.
Mir hat vor ein paar Tagen jemand geschrieben, schon in La Sallette bei der großen Marienoffenbarung sei gesagt worden: Der Papst fällt vom Glauben ab. Jetzt die Aufforderung zur Buße. Das sind aus meiner Sicht die Strategien, um deutlich zu machen: Wir haben die Wahrheit. Diese Formulierung kommt auch einem Immunisieren gegen einen möglichen Dialog gleich. Denn die Forderung "Du musst Buße tun" bedeutet auch: Wir wissen, wie es ist. Das sind eigentlich nur Ablenkungsstrategien.
DOMRADIO.DE: Sind diese reaktionären Kreise eine kleine und laute Minderheit? Oder werden die immer mehr? Wären diese Kreise auch in der Lage, die Kirche zu spalten?
Hünerfeld: Die Gegnerschaft von Franziskus ist unglaublich differenziert. Es ist eine kleine Anzahl. Das merkt man auch an der Anzahl derjenigen, die auch die Unterschrift zu den verschiedenen Petitionen leisten, die gegen den Heiligen Vater aufgeführt werden. Das Potenzial der Spaltung sehe ich auch. Gerade wenn Sie dem kasachischen Weihbischof Athanasius Schneider zuhören, dann haben Sie wirklich den Eindruck, da spricht jemand von der Piusbruderschaft.
Nun habe ich auch noch im Internet gesehen, dass die Piusbruderschaft eine Synopse gemacht hat, also eine Gegenüberstellung der Texte von Marcel Lefebvre, dem Gründer der Piusbruderschaft, und von Kardinal Raymond Leo Burke, der auch einer der großen Widersacher des Papstes ist. Dabei zeigen sie, eigentlich sind sich Burke und Lefebvre doch völlig identisch.
Bei wenigen ist tatsächlich - würde ich sagen - auch das Potenzial der Spaltung da. Aber wir merken ja auch, dass das Lager sich spaltet. Jetzt hat Bischof Voderholzer ja schon stark kritisiert, dass er in der Petition, die diese Woche erschienen ist, genannt worden ist. Auch Fürstin Gloria hat ihre Unterschrift zurückgezogen. Sie merken, was da für Kräfte am Werk sind, die auch den Papst und damit auch die Einheit der Kirche infrage stellen.
Das Interview führte Martin Bornemeier.