Lage von geflüchteten Frauen in Jordanien

"Sie wünschen sich nichts sehnlicher als Frieden"

Hunderttausende Flüchtlinge leben derzeit in Jordanien. Trotz zahlreicher Probleme kämpfen sie weiter für den Frieden in der Region. Hier komme ein weihnachtlicher Gedanke zum Ausdruck, meint Hildegard Stapper vom Sozialdienst katholischer Frauen.

Moses-Kreuz auf dem Berg Nebo in Jordanien / © KNA-Bild (KNA)
Moses-Kreuz auf dem Berg Nebo in Jordanien / © KNA-Bild ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wo waren Sie denn in Jordanien und was haben Sie da erlebt?

Hilde Stapper (Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Köln): Wir waren die gesamte Woche in Amman untergebracht. Und von unserem Hotel aus sind wir jeden Tag in verschieden Caritas-Zentren aufgebrochen, die bis zu zwei Fahrstunden rund um Amman gelegen sind. Wir waren in Irbid, Mafraq, Zarqa, Madaba und auch in Amman selbst haben wir ein paar Caritas-Zentren besucht.

DOMRADIO.DE: Jetzt sind Sie vom SKF, dem Sozialdienst katholischer Frauen. Sie haben den Blick für die Frauen vor Ort gehabt. Wie ist die Situation der Frauen, die auf der Flucht sind?

Stapper: Wir haben vor allen Dingen in den Gesprächen, die wir mit den Geflüchteten in den Einrichtungen hatten, sehr oft mit Frauen zu tun. Einmal durften wir auch alleine mit einer Frauengruppe sprechen. In den gemeinsamen Gesprächen war immer sehr deutlich, dass diese Frauen sich sehr um das Wohl und die Zukunft der Kinder gesorgt haben. Für die Männer ging es sehr stark um die Frage der Arbeit und der Existenz für die gesamte Familie. Bei den Frauen waren wirklich der Blick auf die Kinder und deren Gesundheit und Wohlergehen und die schulische Bildung sehr stark im Vordergrund.

DOMRADIO.DE: Es ist ja manchmal so, dass Frauen dann eben auf der Flucht auch ihr Netzwerk verlieren, ihre Familie. Was bedeutet das nochmal für Frauen anderes als für Männer?

Stapper: Für die Frauen bedeutet das, dass sie dann sehr alleine mit den Kindern und der Kindererziehung sind. Die Kinder müssen zum Teil früh in die Versorgung der Familie eingebunden werden. Eine Frau hat uns gesagt: "Es ist so erniedrigend, immer wieder fragen für das Alltägliche, für Geld, für Miete, für den Lebensunterhalt fragen zu müssen." Da wird deutlich, wie sehr die emotionale Belastung eine Rolle spielt.

DOMRADIO.DE: Sie haben ja auch die Psychologin Lana Snobar kennengelernt, die sich um Frauen in Jordanien kümmert. Was bietet Sie an?

Stapper: Lana Snobar ist Psychologin und arbeitet auch in einem Caritas-Zentrum, das psychologische Beratung und Begleitung anbietet. Sie bietet Frauen und Kindern Beratung an, aber auch Paaren, die aufgrund der Flucht in eine krisenhafte Situation geraten sind. Die Kinder haben zum Teil die Kriegssituation und die Flucht miterlebt. Auch wenn sie erst in Jordanien geboren worden sind, erleben sie die Belastung der Familie mit und sind dadurch auch in der Folgegeneration traumatisiert, weil sie spüren, wie stark ihre Eltern belastet sind.

DOMRADIO.DE: Und diese Belastung zeigt sich auch bei den Helfern, die oft am Rande des Burnouts arbeiten.

Stapper: Die jordanischen Caritas-Mitarbeiter erleben im Grunde genommen tagtäglich in vielen Gesprächen, Interviews, Beratungen, wie existenziell die Notsituation dieser Familien ist, und sind dadurch sehr stark belastet. Sie erleben vor allen Dingen die Belastung, weil ihnen die Hände gebunden sind, um auf lange Sicht zu helfen. Oft fehlen die finanziellen Mittel. Lana Snobar hat in diesem Zusammenhang auch ein Selbstfürsorgetraining für die jordanischen Caritas-Mitarbeiter entwickelt.

DOMRADIO.DE: Sie haben nicht nur Geflüchtete kennengelernt und die Arbeit, die man dort macht, sondern Sie haben auch gemerkt, dass auch in dieser Reise eine Weihnachtsbotschaft steckt. Inwiefern?

Stapper: Der Kulturraum, in dem wir waren - und ich sage jetzt ganz gezielt Kulturraum - ist vom Alten Testament und den biblischen Geschichten geprägt. Und wir haben als Caritas-Mitarbeiter - der SKF gehört ja zur Caritas-Familie - auch Kultur- und Tourismusstätten besucht. Wir waren unter anderem auch an der Taufstelle am Jordan und auf dem Berg Nebo, auf dem Moses war, und es heißt, dass er dort gestorben ist.

Von dort schaut man dann auf das Jordantal und kann, wenn das Wetter nicht so dunstig ist, Jerusalem und das Tote Meer sehen. Das war eine ganz, ganz wunderbare Erfahrung, auf einem Berg zu stehen und auf eine Landschaft zu schauen - ein so altes biblisches Land, das uns und die anderen beiden Weltregionen - das Judentum und den Islam - verbindet. Und das ist für mich so ein Stück Weihnachtsbotschaft. Denn dieses Land ist für viele eine Heimat, und die Weihnachtsgeschichte hat mit Heimat finden zu tun.

DOMRADIO.DE: Und Sie haben gesagt, dass auch der weihnachtliche Gedanke von Frieden deutlich wurde. Inwiefern?

Stapper: Der Direktor von Caritas Jordanien, mit dem wir uns getroffen haben, und auch einige andere Mitarbeiter haben immer wieder betont, dass in Jordanien selbst zwar kein Krieg herrscht, aber dass die Region rund um Jordanien sehr vielen kriegerischen Konflikten ausgesetzt ist und dass allen der Frieden für die Region wichtig ist. All arbeiten daran. Und sie wünschen sich nichts sehnlicher als Frieden für die Region.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Quelle:
DR