Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeine sind Weltkulturerbe

Mehr als nur Sterne

Die Sterne aus Herrnhut kennt fast jeder. Auch die Herrnhuter Losungen sind ein protestantischer Exportschlager. Nun hat der sächsische Gründungsort der Brüdergemeine auch den Unesco-Welterbe-Status. Ein Ortsbesuch.

Hauptgebäude mit Kirchensaal der Herrnhuter Brüdergemeine / © Harald Oppitz (KNA)
Hauptgebäude mit Kirchensaal der Herrnhuter Brüdergemeine / © Harald Oppitz ( KNA )

Der kleine, ostsächsische Ort ist in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich. Gut 1.200 Einwohner zählt Herrnhut selbst, etwa 5.000 mit den eingemeindeten Dörfern ringsum.

Bekannt ist das Städtchen weltweit durch zwei "Exportschlager": Zum einen die Herrnhuter Sterne, fast 800.000 Stück verlassen pro Jahr die örtliche Manufaktur. Zum anderen die Herrnhuter "Losungen", ein jährlich neu zusammengestelltes Andachtsbuch mit Bibelversen für jeden Tag, inzwischen in mehr als 60 Sprachen verlegt.

Herrnhuter Stern / © DR pics  (shutterstock)

Seit diesem Freitag hat der Ort auch den Welterbe-Titel. Das Unesco-Komitee in Neu Delhi stimmte dem transnationalen Aufnahmeantrag, der zudem die Siedlungen der Herrnhuter-Brüdergemeinde in Nordirland und den Vereinigten Staaten umfasste, zu. Die Herrnhuter Siedlung im dänischen Christiansfeld hat den Welterbe-Status bereits seit 2015.

Eine der ältesten Freikirchen

Die vor 300 Jahren gegründete Herrnhuter Brüdergemeine ist eine der ältesten evangelischen Freikirchen in Deutschland. Sie war früh missionarisch aktiv und zählt heute weltweit rund 1,2 Millionen Mitglieder. Ihre Entstehung war eine Folge der Migrationsbewegungen im frühen 18. Jahrhundert.

Damals nahm Graf Ludwig Nikolaus von Zinzendorf (1700-60) protestantische Glaubensflüchtlinge aus Mähren auf und siedelte sie auf seinem Land an. Am 17. Juni 1722 soll der Zimmermann und spätere Missionar Christian David den ersten Baum für den Bau der neuen Siedlung unter "des Herrn Hut" gefällt haben - mit einer Breitaxt, heute noch im Herrnhuter Heimatmuseum zu sehen. Das Datum wird seither als Gründungstag begangen.

Die Kirche der Brüdergemeine Herrnhut / © Sebastian Kahnert (dpa)
Die Kirche der Brüdergemeine Herrnhut / © Sebastian Kahnert ( dpa )

Zinzendorf, den man sich als kreativen Pragmatiker mit großem Sendungsbewusstsein vorstellen muss, entwickelte die Idee eines gemeinschaftlichen Lebens als "Gottesdienst". Bildung und Gleichberechtigung zählten zu den Grundpfeilern dieser pietistisch geprägten Erneuerungsbewegung, die bald schon ein globales Netzwerk entspann. Und dieses auch wirtschaftlich nutzte: So importiert die Herrnhuter Firma Abraham Dürninger als erste Zigarren aus Havanna in deutsche Lande.

Vom erfolgreichen Handel zeugen bis heute die imposanten barocken Bürgerhäuser, die sich im Ortskern um den großen Kirchensaal reihen.

Dieser wiederum gilt als "gute Stube" der Brüdergemeine und ist doch innen extrem schlicht gehalten, ganz weiß - selbst das Kreuz ist weiß auf weißem Grund.

Berühmter Gottesacker

Rund 6.000 Menschen besuchen jährlich das geistliche Zentrum von Herrnhut, mit Kirchensaal und "Gottesacker", dem berühmten Friedhof der Brüdergemeine, dessen Gestaltung der Gedanke von der Gleichheit im Tod zugrunde liegt. Inzwischen zählt das symmetrisch angelegte Kulturdenkmal 6.000 genormte schlichte Gräber mit liegenden Steinen - wer einmal hier liegt, liegt hier für ewig. Auf der einen Seite die Frauen, auf der anderen die Männer.

In einer Dauerausstellung ist die Silberschale zu sehen, in der jedes Jahr 1.100 Kärtchen mit Zahlen gelegt werden - jede steht für einen Bibelvers. Daraus werden mit drei Jahren Vorlauf die "Losungen" gezogen. 1728 soll Graf Zinzendorf erstmals eine Losung als biblische "Tagesparole" ausgegeben haben.

Die Herrnhuter Losungen werden jährlich gezogen / © Matthias Weber (epd)
Die Herrnhuter Losungen werden jährlich gezogen / © Matthias Weber ( epd )

Das "Losen" hatte für die frühe Brüdergemeine jedoch einen anderen Ursprung: Traf die Glaubensgemeinschaft eine Entscheidung, etwa ob ein bestimmter Missionar in die Karibik entsandt werden sollte, musste dies stets mit einer "Gottesentscheidung" bestätigt werden.

Dazu wurde mit drei hölzernen Röllchen gelost. In jedem steckte ein Zettel: ein "Ja", ein "Nein" und ein unbeschriebenes Blatt. Wozu letzteres? Es sollte signalisieren, dass es vielleicht noch nicht der richtige Zeitpunkt für die Entscheidung ist - und es bei Gott mehr als nur "Ja" oder "Nein" gibt.

Herrnhut wirkt auf Besucher wie eine behütete kleine Insel. Doch auch unter "des Herren Hut" muss man sich immer wieder mit Themen wie Rechtsextremismus, Kindesmissbrauch und den Schattenseiten des Kolonialismus-Erbes auseinandersetzen.

Weltkulturerbe der Unesco

Die UN-Kulturorganisation Unesco verzeichnet auf ihrer Welterbeliste über 1.000 schützenswerte Natur- und Kulturstätten in über 100 Ländern. Deutschland hat mehr als 40. Dazu gehören der Kölner und der Aachener Dom, die Altstadt Lübecks, Schlösser und Parks in der Region Potsdam-Berlin, die Klosteranlage Maulbronn, das Bauhaus und seine Stätten in Weimar und Dessau, der Industriekomplex Zeche Zollverein in Essen, das Wattenmeer, alte Buchenwälder in Deutschland oder die Hamburger Speicherstadt.

UNESCO Hauptquartier in Paris / © Pompidu (shutterstock)
UNESCO Hauptquartier in Paris / © Pompidu ( shutterstock )
Quelle:
KNA