Social-Media-Gottesdienst in Aachen

"Handy an" im Gottesdienst

Ein Gottesdienst mit Twitter, Facebook und Instagram? Das geht - und kann gut funktionieren. Die evangelische Kirche im Rheinland hat es ausprobiert - im Rahmen der Aktion "95 Gottesdienste an ungewöhnlichen Orten".

Autor/in:
Das Interview führte Carsten Döpp
Social Media im Gottesdienst? / © Tobias Hase/Christoph Schmidt (dpa)
Social Media im Gottesdienst? / © Tobias Hase/Christoph Schmidt ( dpa )

domradio.de: Wie können wir uns so einen Online Gottesdienst als Live Stream vorstellen?

Pfarrer Ralf Peter Reimann (Internetbeauftragten der evangelischen Kirche im Rheinland): "95 Gottesdienste an ungewöhnlichen Orten", einer dieser Orte war ein IT-Unternehmen in Aachen, wir wollten das Thema Digitalisierung angehen: Einmal inhaltlich, aber wir wollten auch zeigen, wie Digitalisierung im kirchlichen Leben funktionieren kann. Wir hatten einen Gottesdienst an einem Ort gefeiert, da hat sich die Gemeinde auch versammelt - gleichzeitig haben wir diesen Gottesdienst über Youtube ins Internet gestreamt und wer wollte, konnte den Gottesdeinst im Videostream verfolgen. Gleichzeitig hatten wir auch Interaktionsmöglichkeiten: Die Ansage zu Beginn des Gottesdeinstes war nicht "Handy ausmachen", sondern "Handy anlassen", die Menschen im Gottesdienst sollten das zur Interaktion benutzen. Wir hatten auf einer Leinwand eine Social-Media-Wall, dort konnten Kommentare oder Fürbitten von Menschen vor Ort oder von außerhalb getwittert, gefacebookt, geinstagrammt und sichtbar gemacht werden.Wer den Stream verfolgt hat, konnte darüber seine Kommentare oder Fürbitten posten.

domradio.de: Wie kam es zu dieser Idee?

Pfarrer Ralf Peter Reimann (Internetbeauftragten der evangelischen Kirche im Rheinland): Wir wollten uns mit der Digitalisierung beschäftigen, das haben inhaltlich drei Kanzelredner gemacht. Auf der anderen Seite wollten wir zeigen, dass es für die Menschen ein Gewinn sein kann. Dieser Gottesdienst zeigt Möglichkeiten für Gemeinden, das Internet so zu nutzen: Es gibt Menschen, die an ihrem Gemeindeleben vor Ort nicht teilnehmen können, weil sie zu alt und zu gebrechlich sind oder auch beruflich unterwegs sind. Für diese Menschen gibt es natürlich Fernsehangebote, aber es wäre doch viel schöner, die eigene Pfarrerin oder den eigenen Pfarrer zu erleben und dann auch so am Gottesdienstgeschehen teilnehmen zu können.

domradio.de: Wie kam dieses Angebot bei den Teilnehmern an?

Pfarrer Ralf Peter Reimann (Internetbeauftragten der evangelischen Kirche im Rheinland): Für einige war es ein ganz neues Angebot, von daher war es wirklich auch ein Ausprobieren. Es hat wirklich funktioniert, weil die Fürbitten, die dann kommen, viel persönlicher sind als im normalen Gottesdienst, wo der Pfarrer oder die Pfarrerin die Fürbitten schreibt. So hatten die Besucherinnen und Besucher des Gottesdienstes eine direkte Stimme. Man konnte so auch die Predigt kommentieren, ohne, dass man dabei seine Nachbarin oder seinen Nachbarn stört, von daher ist das sehr gut angenommen worden. Einige sagten, das wäre ein neuer Weg, aber eine Richtung, in die wir gehen müssen - es gab aber natürlich auch einige kritische Stimmen, die sagten, das sei alles zu viel Aktion gewesen, sie bräuchten mehr Kontemplation. Wer das braucht, geht vieleicht nicht in einen Social-Media-Gottesdienst, sondern nimmt ganz normal am Gemeindeleben teil.

domradio.de: Können Sie sich vorstellen, dass sich diese Form des Gottesdienstes in der Zukunft durchsetzen wird?

Pfarrer Ralf Peter Reimann (Internetbeauftragten der evangelischen Kirche im Rheinland): Ich glaube, dass solche Gottesdienste immer mehr Eingang ins Gemeindeleben finden. Ich kenne einen Pfarrer aus einem ländlichen Gebiet in Ostdeutschland, der es alleine aufgrund der Größe seiner Gemeinde nicht schafft, bei Taufgesprächen wirklich zwei Stunden hin und zwei Stunden zurück zu fahren, sondern der dann Skype nutzt und die Taufe findet dann vor Ort im Gemeindegottesdienst statt. Es gibt immer Bedenken, aber wir wollen die Chancen nutzen, die sich bieten. Wir hatten zum Beispiel mal einen Twitter-Gottesdienst, da wurde Social Media nicht genutzt, um Leute von fern her ins Gottesdienstgeschenen zu holen, sondern um Leute, die im Gemeindegottesdienst waren, die das sonst nicht ausgesprochen hätten, zu aktivieren. Im Fürbittengebet postete dann jemand "Wir bitten dich heute für die, die heute zum ersten Mal Muttertag ohne ihre Mutter feiern", das war ein ganz wichtiges Anliegen, die Gemeinde hat dann dafür gebetet. Das war eine Stimme, die sonst im Gemeindegottesdienst so nicht Gehör gefunden hätte, von daher finde ich, dass das wichtige Möglichkeiten sind, die wir auf jeden Fall nutzen sollten.


Quelle:
DR