Solinger OB zum Weihnachtsbaumverzicht vor Rathaus

"Christliche Tradition stärken"

Er steht bereits auf vielen Marktplätzen oder vor Rathäusern: der Weihnachtsbaum. Doch nicht so in Solingen. Der dortige Oberbürgermeister Tim Kurzbach will den Baum erst an Weihnachten aufstellen - und erntet nicht nur Zustimmung.

Christbaumkugel an einem Weihnachtsbaum / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Christbaumkugel an einem Weihnachtsbaum / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

domradio.de: Was haben Sie denn gegen Weihnachtsbäume?

Tim Kurzbach (Oberbürgermeister von Solingen/SPD): Überhaupt gar nichts. Es ist ein wunderschönes Symbol. Aber wie der Name schon sagt, ist es der "Weihnachtsbaum" und die Weihnachtszeit beginnt erst mit der Heiligen Nacht vom 24. auf den 25. Dezember. Das ist der Beginn der Weihnachtszeit. Die Zeit vorher ist die Adventszeit. Das ist die Vorbereitung auf Weihnachten und die Ankunft des Herrn. Das Symbol dieser Zeit ist der Adventskranz. Von daher wird es natürlich auch in Solingen einen Weihnachtsbaum geben, aber erst zu dem Zeitpunkt, den unsere Tradition vorsieht, nämlich zum Weihnachtsfest.

domradio.de: Das klingt alles völlig simpel und logisch.

Kurzbach: Das war auch schon immer so, und ich kenne die Tradition gar nicht anders. Von daher ist es meiner Meinung nach kein ungewöhnlicher Vorschlag.

domradio.de: Wenn wir uns einmal in die Entstehungsgeschichte hineinversetzen: Klingelt da eines Tages ein Baumlieferant an der Tür des Oberbürgermeisters und fragt Sie "Wie immer"? Und antworten Sie dann "Nein. Dieses Jahr nicht"? Wie war das, als Sie sich dazu bekennen mussten, keinen Baum aufstellen zu wollen?

Kurzbach: Das war eine Frage, die über eine örtliche Zeitung aufkam, die sich für dieses Thema interessierte. Ich bin bekennender katholischer Christ und stehe zu den Traditionen - was wir allgemein viel deutlicher tun sollten. Deswegen habe ich gesagt, bei mir zu Hause, aber auch im Rathaus, ist das Symbol für die Adventszeit der Adventskranz. Jede Woche kommt dann eine andere Kindergartengruppe oder eine Schulklasse ins Rathaus und zündet das neue Licht an. Es wird gesungen und es gibt Kleinigkeiten zum Essen und so feiern wir die Adventszeit, die eh eine ruhige und beschauliche Zeit ist.

Zu Weihnachten lade ich zum 6. Januar alle Sternsingerinnen und Sternsinger zu mir ins Rathaus ein und wir feiern das Dreikönigsfest, denn das ist ja auch noch Teil der Weihnachtszeit. Ich glaube, wir dürfen durchaus selbstbewusst mit dieser christlichen Tradition umgehen. Das bedeutet nicht, dass ich irgendetwas ausgrenze. Ich gönne jedem seinen Weihnachtsbaum und ich möchte niemandem etwas vorschreiben. Aber da, wo ich die Verantwortung trage, möchte ich doch gerne an diese Tradition erinnern.

domradio.de: Es ist zum Thema geworden, weil offenbar nicht jeder Mitbürger in Solingen Ihre Überzeugung teilt, sich daran stößt und gerne am Rathaus einen Weihnachtsbaum hätte. Was haben Sie für ein Gefühl? Tun Sie der Sache am Ende einen Gefallen? Schließlich wollen Sie ja mit dem Nicht-Aufstellen eines Baumes das Bewusstsein für Advent und Weihnachten stärken. Funktioniert das tatsächlich?

Kurzbach: Abschließend kann ich Ihnen das nicht beantworten. Ich bekomme Dutzende von unterstützenden E-Mails, Briefen oder Facebook-Nachrichten. Es gibt aber auch kritische Rückmeldungen. Von daher finde ich es gut, wenn wir uns mit der Thematik auseinandersetzen. Ich sage aber auch, dass wir im Rathaus ein klein wenig andere Dinge zu tun haben, die ein wenig wichtiger sind als dieses Thema. Es beschäftigt mich nicht tagtäglich. Aber überrascht hat mich schon, dass über solch selbstverständliche Dinge in der Art diskutiert wird. Das hat jedoch wohl mit dem Verlust von Tradition zu tun. Ich kenne es durchaus so, dass man komisch angeschaut wird, wenn man mit dem Aschenkreuz über die Straße läuft. In dieser Zeit bewusst Christ zu sein, stößt offenbar hier und da auf Ablehnung und Widerspruch.

domradio.de: Stehen Sie eigentlich mit Ihrer Position alleine da? Oder wissen Sie von Kollegen, die das genauso sehen und sich bloß nicht trauen, das so konsequent durchzuziehen wie Sie?

Kurzbach: Ich habe deswegen keine Umfrage unter Kollegen gemacht. Ich mache das für Solingen so, wie ich es beschrieben habe. Das muss auch jeder für sich selber entscheiden. Und noch einmal: Ich stelle das nicht als Vorgabe für jemand anderen auf. Andere werden das schön und würdig für sich entscheiden. Für Solingen halten wir es so. Es kommt ein Weihnachtsbaum, zu seiner Zeit. Mir ist es auch wichtig, das erneut zu betonen, denn manche Medien behaupten, es gäbe gar keinen Tannenbaum am Rathaus in Solingen.

domradio.de: Und da fragt man sich, wie das funktioniert. Wer stellt den Baum denn am ersten Weihnachtsfeiertag auf? Machen Sie das selber oder Ihre Mitarbeiter?

Kurzbach: Der Oberbürgermeister arbeitet tatsächlich das ganze Jahr über. Letztes Jahr habe ich am ersten Weihnachtsfeiertag noch Hunderte von Flüchtlingen persönlich in einem Flüchtlingsdorf hier Willkommen geheißen. Als Oberbürgermeister kann man nicht pauschal sagen, dass man die Weihnachtsfeiertage immer frei hat. Unser Baum wird am 24. Dezember aufgebaut, wie in vielen Familien auch. Erinnern Sie sich doch selber einmal daran, wie das Gefühl von Weihnachten war: als man vor der Tür stand, von innen geläutet wurde und dann die Tür aufging und man den Baum das erste Mal sah. Auch das ist ein Teil der Tradition.

Das Interview führte Daniel Hauser.


Tim Kurzbach / © N.N. (dpa)
Tim Kurzbach / © N.N. ( dpa )
Quelle:
DR