"Das Interview hat mich überrascht und bewegt." Auf gewohnt charmante Weise - die Matteo Salvini durchaus beherrscht - griff der Lega-Chef in dieser Woche die jüngste Dialog-Offerte des langjährigen Vorsitzenden der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Camillo Ruini, auf. Ruini vertrete einen wichtigen Teil der Kirche, seine Offenheit sei außergewöhnlich, sagte Salvini dem "Corriere della Sera". Der hatte ihn eigens auf Ruinis Äußerungen vom Sonntag im selben Blatt angesprochen.
Wenn überhaupt, ist aus kirchlichen Kreisen in Italien entweder Funkstille oder Kritik an einzelnen Maßnahmen und Aussagen Salvinis zu vernehmen. Von daher sorgten die teils wohlwollenden Aussagen des inzwischen 88-jährigen Ruini für Aufsehen.
Er selbst teile nicht das "rein negative Bild Salvinis, das in einigen Bereichen gezeichnet wird", so der frühere Kardinalvikar der Diözese Rom, der Italiens Bischofskonferenz von 1991 bis 2007 leitete. Salvini habe "beachtliche Perspektiven", müsse aber noch etwas reifen. Zudem ist Ruini sich nicht sicher, ob das demonstrative Rosenkranz-Schwenken des Lega-Chefs "nur eine Instrumentalisierung" ist. "Ein Dialog mit ihm scheint mir aber Pflicht, auch wenn ich ihn persönlich nicht kenne", so der Kardinal.
Salvini sucht Kontakt mit Bischofskonferenz
Das ließe sich ändern, bot Salvini an. "Ich suche den Dialog mit der Bischofskonferenz, mit den Bischöfen und der katholischen Welt." Dass ein nicht kleiner Teil des katholischen Italien mit dem charismatisch-polarisierenden Salvini sympathisiert, zeigen nicht nur Umfragen. Auch jüngste Wahlerfolge wie zuletzt in der sozialdemokratischen Hochburg Umbrien, wo die Lega mit 37 Prozent stärkste Kraft wurde.
Bald wolle er sich mit Ruini und anderen Vertretern der katholischen Kirche treffen - vertraulich, kündigte Salvini weiter an. Nicht zum ersten Mal. Über tatsächliche Begegnungen etwa mit Bischöfen, die ihm weniger kritisch gegenüberstehen, wird jedoch nichts bekannt.
Entweder finden sie nicht statt, oder vereinbartes Stillschweigen wird tatsächlich eingehalten. Salvinis hochprofessionell geführte Social-Media-Maschinerie würde es sonst verkünden.
Auch am Wochenende hatte Salvinis Nachfolgerin im Innenministerium, die parteilose Luciana Lamorgese, in einem ausführlichen Interview mit der "Repubblica" die anhaltende Polemik des Lega-Chefs zum Thema Migration kritisiert. Die Zahlen des Ministeriums, das Salvini bis Ende August selber leitete, widerlegten seine auf Twitter und Facebook verbreiteten Behauptungen.
In diesem Punkt räumte auch Kardinal Ruini, von manchen immer noch "Don Camillo" genannt, ein: "Für Salvini gilt wie für jeden von uns das Evangelium der Nächstenliebe - ohne aber die Probleme, die mit Migration einhergehen zu unterschätzen." Im Übrigen beklagte Ruini erneut die schwindende Bedeutung des Katholizismus in der Politik Italiens. Das gelte vor allem für den "politisch linken Katholizismus".
Papst: Christen müssen Brücken bauen
In dieser Gemenge-Lage spitzen Italiens Medien die Ohren, wenn der früher sozialdemokratisch engagierte Staatspräsident Sergio Mattarella die "historische Botschaft des demokratischen Katholizismus" beschwört. In einer Gedenkrede lobte Mattarella, wie der vor 30 Jahren gestorbene Christdemokrat Benigno Zaccagnini "seinen tiefen Glauben auf einfache und authentische Weise gelebt" habe.
"Auf diese Art eines Laien", eines Nicht-Klerikers also, gelte es den Glauben zu leben und sich gemeinsam für das Gemeinwohl einzusetzen. Dazu gehöre heute auch die "Aufgabe, die Pflicht, jungen Menschen einen Horizont der Ideale und Werteperspektiven zu eröffnen".
Angesichts der anhaltenden rechten wie auch inzwischen linken Social-Media-Hetze, an der Salvinis Kommunikations-Team nicht unschuldig ist, werden Dialog-Offerten durchaus wahrgenommen. Wer sie tatsächlich beherzigt, muss sich zeigen.
Als entsprechenden Appell ließe sich auch die Papst-Katechese am Mittwoch verstehen: Ein Christ müsse "Brücken bauen zu jenen, die nicht glauben oder die einen anderen Glauben haben". Und der Papst fügte hinzu: "Immer die Hand ausstrecken, keine Aggression." Im Nachgang der Amazonas-Synode bezog Franziskus das zwar vor allem auf andere Kulturen. Brücken des politischen Dialogs schloss er aber nicht aus.