Der Syrien-Beauftragte der SOS-Kinderdörfer, Louay Yassin, warnt vor einer humanitären Katastrophe im belagerten Ost-Ghuta. Am schlimmsten gehe es den Kindern, sagte er der "Rhein-Neckar-Zeitung" (Montag): "Viele hungern schon seit Wochen, sind bis aufs Skelett ausgemergelt." Die Situation sei "grauenhaft".
Yassin forderte die Politik zu mehr Unterstützung auf für die Arbeit der Hilfsorganisationen vor Ort. Ohne echten Waffenstillstand könnten die Mitarbeiter aus Angst vor den Granaten ihre Häuser nicht verlassen. "Aber selbst bei einem echten Waffenstillstand wäre noch nicht garantiert, dass wir zu den belagerten Menschen in Ost-Ghuta vorgelassen werden. Das muss unbedingt Teil der Vereinbarung sein."
Kaum Essen, keine Medikamente
Angesichts der aktuellen Eskalation sei Hilfe derzeit kaum noch möglich, beklagte Yassin weiter. In Ost-Ghuta fehle eigentlich alles. Zuletzt seien auch noch die letzten beiden Bäckereien zerstört worden, die die Gegend bislang notdürftig mit einfachem Brot versorgen konnten. "Es gibt noch etwas Gemüse, aber ansonsten gibt es nichts mehr zu essen. Die medizinische Versorgungslage ist desaströs."
Zudem seien die Abwehrkräfte der Menschen durch die Mangelernährung aufgezehrt. In Ost-Ghouta sei es außerdem nachts drei bis vier Grad kalt und es gebe kein Heizöl mehr: "Eine Grippewelle, wie sie gerade in Deutschland umgeht, kann unter diesen Umständen für viele, insbesondere für Kinder, das sichere Todesurteil bedeuten."
Erneut Luftangriffe am Sonntag
Die Außenminister der EU-Staaten beraten am Montag in Brüssel über die Lage im Bürgerkriegsland Syrien. Für die Europäische Union geht es vor allem darum zu prüfen, wie mehr für die leidende Zivilbevölkerung getan werden könnte. Der UN-Sicherheitsrat hatte am Samstag eine Resolution mit der Forderung nach einer 30-tägigen Waffenruhe verabschiedet.
Nach einer relativ ruhigen Nacht in Ost-Ghuta waren am Sonntag erneut Luftangriffe und Artilleriefeuer auf das umkämpfte Gebiet niedergegangen, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete. Auch Fassbomben seien aus Helikoptern abgeworfen worden. Von den Außengrenzen der Rebellenhochburg wurden Gefechte zwischen Aufständischen und Regierungstruppen gemeldet.
Druck auf Russland
Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron appellierten an Russland, die vom UN-Sicherheitsrat verlangte Waffenruhe in Ost-Ghuta zu unterstützen. In einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin riefen sie dazu auf, "maximalen Druck auf das syrische Regime auszuüben, um eine sofortige Einstellung der Luftangriffe und Kämpfe zu erreichen". Moskau ist einer der engsten Verbündeten des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad.