Sozialverbände machen im Bundestagswahlkampf auf sich aufmerksam

"Unser Einfluss ist groß und bleibt es"

Im Wahlkampf muss man Flagge zeigen. Das sagen sich auch die Sozialverbände und starten Kampagnen, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Dass sie dabei auch die Kandidaten der Parteien unter Druck setzen, ist ein willkommener Nebeneffekt.

Diakonie-Präsident Lilie / © Norbert Neetz (epd)
Diakonie-Präsident Lilie / © Norbert Neetz ( epd )

Der 24. September rückt näher und nicht nur die Parteien sind im Wahlkampfmodus. Auch die Sozialverbände machen mobil. Sie leisten mit eigenen Kampagnen "Aufklärungsarbeit" - nicht ganz uneigennützig. Der Sozialverband VdK Deutschland hat einen "Kandidatentest" gestartet, der SoVD einen digitalen "Werkzeugkasten" veröffentlicht, der auch Argumente für Diskussionen mit Politikern liefern soll. Und es gibt "Wahlprüfsteine", einen "Wahlcountdown" und einen "Sozial-O-Mat". Doch was bringt das? Welchen Sinn sehen die Verbände selbst darin?

Sozialverband Deutschland entwickelt digitalen Werkzeugkoffer

SoVD-Präsident Adolf Bauer fordert selbstbewusst von den Parteien, "Farbe zu unseren Positionen zu bekennen. Wir erteilen einem 'Weiter so!' eine klare Absage." Der sozialpolitische Handlungsbedarf sei enorm. Damit die Wähler, darunter auch die nach eigenen Angaben 560.000 Mitglieder des Sozialverbands Deutschland, auf dem Wahlzettel ihr Kreuz an der richtigen Stelle machen, hat der Verband schon mal vorgedacht und einen digitalen "Werkzeugkoffer" entwickelt: Der mache "den sozialpolitischen Test der Kandidaten einfach". Die Internet-Broschüre enthält zudem ein Glossar wichtiger Begriffe der Sozialpolitik und Argumentationskarten für mögliche Diskussionen.

Die eigene Stimmenmacht will auch der VdK nutzen. Er hat seine Kampagne unter das Motto "Soziale Spaltung stoppen!" gestellt. Präsidentin Ulrike Mascher sagt: "Wir haben über 1,8 Millionen Mitglieder, die zugleich Wählerinnen und Wähler sind. Und deren Interessen haben wir im Blick, wenn wir die Bundestagskandidatinnen und -kandidaten zur sozialen Gerechtigkeit befragen."

Diakonie plant mehrer Kampagnen

Die Diakonie plant auf Bundes- und Landesebene mehrere Kampagnen. Potenzielle Wähler könnten ab dem 14. August auf der Internetseite mit dem "Sozial-O-Mat" testen, mit welcher Partei die eigene Meinung in puncto soziale Fragen am meisten übereinstimmt. In diesem Rahmen findet auch die Sommertour "Sozial-O-Meet" von Diakonie-Präsident Ulrich Lilie statt, hieß es.

"Wählt Menschlichkeit" hat die Caritas ihre Initiative zur Wahl überschrieben. Man wolle "sensibilisieren für die Werte und Regeln, die ein gelingendes Zusammenleben ermöglichen, und für die Frage, wie sich das in den Programmen der Parteien zeigt", sagt Pressesprecherin Claudia Beck. Es gehe ausdrücklich nicht darum, eine Wahlempfehlung auszusprechen.

"Politischer Hebel"

Das sei so direkt auch gar nicht nötig, sagt der Münchner Politikwissenschaftler Michael Koß. "Auch ohne, dass man, wie früher direkt von der Kanzel herab sagt, wer gewählt werden soll", dienten solche Initiativen "als politischer Hebel im weiteren Sinne".

Dass die großen Verbände mit ihren Aktionen Druck auf die Wahlkandidaten ausüben, gehöre zum politischen Alltagsgeschäft, betont der Forscher: "Ich finde das überhaupt nicht ehrenrührig. Wir haben ja nicht nur die Parteien, sondern auch die Verbände, die an der politischen Willensbildung mitwirken sollen." Koß bezweifelt jedoch, dass die Sozialverbände noch nennenswerten Einfluss auf die Programme der Parteien nehmen können: "Wenn jetzt spezielle Forderungen erhoben werden, kann ja etwa die SPD ihr Wahlprogramm nicht mehr ändern."

Forderungen für den Koalitionsvertrag

Müssen sie auch nicht, betont VdK-Chefin Mascher: "Unser Ziel ist es, dass zentrale Forderungen unserer Aktion in den Koalitionsvertrag der nächsten Bundesregierung einfließen." Mascher räumt ein, dass die Kampagnen durchaus einen Selbstzweck verfolgen - ganz unter dem Motto "Wir tun etwas". Diese Initiativen hätten positiven Einfluss auf die Mitgliederbindung und stärkten den Bekanntheitsgrad. Doch ganz unabhängig davon betont die Präsidentin: "Unser Einfluss ist groß und bleibt es."

Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, sagt: "Wahlprüfsteine alleine verpuffen völlig, wenn sie nicht mit einer Kommunikations- und Aktionsstrategie unterlegt sind." Ziel solcher Instrumente seien daher nie alleine die Politiker oder die Verbandsmitglieder, sondern die breite Öffentlichkeit.

Sein Verband werde ab August eigene Konzepte zur Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik sowie zur Mietpreisbremse vorlegen. Abschließend wolle man mit Bündnispartnern Umfrageergebnisse zum Thema "Umverteilen" veröffentlichen. Der Paritätische hat im Internet ein Wahltool programmiert, das am 1. August freigeschaltet werde. Es wolle "Orientierung über die sozialpolitischen Aussagen der Parteien geben und letztlich zum Wahlgang motivieren."

Dirk Baas


Quelle:
epd