domradio.de: Sie sagen in einem Kommentar für katholisch.de: "Gerechtigkeit verlangt Differenzierung" und sehen die Ehe für alle skeptisch. Wie kann man bei dem Thema denn angemessen differenzieren ohne zu diskriminieren?
Dr. Andreas Püttmann (katholischer Politik- und Sozialwissenschaftler): Indem man überlegt: Was sind eigentlich die Wesenselemente der Ehe. Und die traditionelle Ehelehre sieht hier eben die gegenseitige Hilfe und Fürsorge, die Eindämmung von sexueller Ausschweifung und die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft. Und wenn man diese Drei-Elemente-Lehre zugrunde legt, dann sieht man sehr schnell, dass in den ersten beiden Punkten die gleichgeschlechtliche Partnerschaft – die ja auch eingetragen werden kann bei uns – tatsächlich schon eine Analogie zur Ehe aufweist. Aber in dem dritten Punkt muss man doch sagen: Zwei Männern oder zwei Frauen wird es nicht möglich sein, gemeinsam ein Kind zu zeugen. Zu erziehen durchaus – es gibt ja auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften, wo ein Partner aus einer vorangehenden heterosexuellen Beziehung ein Kind mitbringt. Aber bei der Zeugung könnte man nur durch biologische Manipulationen wie Samenspender, Eizellspender oder Leihmutter ein Kind zeugen. Und dagegen hat sich die Kirche ausgesprochen – ich finde, auch aus guten Gründen. Und in dem Punkt besteht dann eine wesensmäßige Ungleichheit, die es auch rechtfertigt, hier eine Abstufung zu machen.
domradio.de: Jetzt könnte man ja auch als katholische Kirche sagen: Wir haben unser sakramentales Verständnis. Aber das, was da politisch dikutiert wird, bestrifft die zivile Ehe. Wir halten uns einfach aus der Diskussion raus…
Püttmann: Das kann die Kirche in einem Land, wo sie so eng verflochten ist mit dem Staat und wo der Bürger zugleich Bürger und Christ ist, nicht machen. Das wäre eine sehr künstliche Trennung. Man muss die beiden Spähren von Kirche und Staat zwar unterscheiden, aber man kann nicht so tun als stünden sie völlig beziehungslos nebeneinander. Dann würde man ja auch die einzelne Person in eine Schizophrenie hineintreiben. Natürlich hat das, was der Staat an Recht ansetzt, auch einen Einfluss auf das Rechtsbewusstsein und das moralische Bewusstsein. Und umgekehrt hat die Lehre der Kirche nicht nur für Christen Relevanz, sondern auch einen Einfluss auf die allgemeine Moral. Da müssen sich schon Staat und Kirche wechselseitig dafür interessieren, was der andere jeweils macht. Und wenn die Ehe für alle kommt, dann wird das auch den Druck auf die Kirche erhöhen, über ihre Lehre in dem Punkt nachzudenken.
domradio.de: Es bleibt aber dennoch bei vielen Homosexuellen das Gefühl: Wir wollen eigentlich das Gleiche haben wie die Heterosexuellen und dürfen es nicht, aufgrund unserer sexuellen Orientierung und sagen, das sei diskriminierend.
Püttmann: Eine Diskriminierung besteht ja nur dann, wenn man Gleiches ungleich behandelt. Und das tut man ja hier in diesem Fall nicht sondern man behandelt zumindest partiell Ungleiches ungleich. Deswegen kann ich hier eine Diskriminierung nicht erkennen.
domradio.de: Jetzt könnte man ja umgekehrt auch sagen: Es gibt Millionen von traditionellen Ehen in Deutschland und nur etwa 35.000 eingetragene Lebenspartnerschaften. Was nimmt man denn eigentlich den heterosexuellen Paaren weg, wenn man homosexuelle Verbindungen gleichstellt?
Püttmann: Ehrlich gesagt, man nimmt ihnen nichts weg, aus meiner Sicht. Ich finde sowieso, dass dem Thema völlig überdimensionierte Aufmerksamkeit zuteil wird, zum Teil auch im katholischen Millieu. Da wird so getan, als sei die gleichgeschlechtliche Liebe die größte Bedrohung der Ehe. Dabei gibt es natürlich viel dramatischere Probleme. Ich sage immer: Die größte Bedrohung der Ehe geht von heterosexuellen aus, die entweder nicht heiraten wollen oder die es nicht auf die Reihe kriegen, dann in ihrer Beziehung treu zu sein. Da wäre sicherlich verbal etwas abzurüsten.
Das Interview führte Mathias Peter.