"Durch die Diskussionen über sexualisierte Gewalt in den Kirchen und den Umgang der Kirchen mit den Missbrauchsfällen gibt es inzwischen eine antiklerikale, zum Teil sogar antireligiöse Tendenz in der Gesellschaft", sagte Seniorprofessor für Religionssoziologie an der Universität Münster dem Evangelischen Pressedienst (epd). Religion werde von vielen für etwas Überholtes, sogar Schädliches gehalten.
Für rund 40 Prozent der Befragten stellt das Christentum eine Bereicherung dar
Gleichwohl schätze ein etwa gleich hoher Anteil der deutschen Bevölkerung christliche Traditionen. Laut einer Erhebung der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2022 stellt für rund 40 Prozent der Befragten das Christentum eine Bereicherung dar. Vor 15 Jahren seien es allerdings noch etwa 70 Prozent gewesen, die dies sagten, betonte Pollack.
Laut am Donnerstag veröffentlichten Zahlen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gehörten ihr im Jahr 2023 noch rund 18,6 Millionen Menschen an, ein Rückgang von über einer halben Million im Vergleich zum Vorjahr. Aktuelle Zahlen der katholischen Kirche werden für den Sommer erwartet.
Hohes Vertrauen in kirchliche Einrichtungen wie Pflegeheime und Kindergärten
Pollack betonte, das Vertrauen in kirchliche und diakonische Einrichtungen wie Pflegeheime und Kindergärten sei relativ hoch, deutlich höher als das Vertrauen in die Institution Kirche. Viele Menschen vertrauten darauf, dass sie oder ihre Angehörigen in kirchlichen Einrichtungen gut versorgt würden. Sinkende Kirchenmitgliederzahlen wirkten sich allerdings auf die Finanzierung von Einrichtungen in diesem Bereich aus.
"Noch sind die Auswirkungen der Mitgliederrückgänge auf die Finanzkraft der Kirchen nicht so stark", sagte der Religionssoziologe. Aber man sehe sie bereits. Die Kirchen sorgten außerdem vor, legten Gemeinden zusammen, versuchten zu sparen und etwa Gebäude abzustoßen. Auch Dienstleistungen würden nicht mehr so ohne Weiteres übernommen.
Einfluss auf das Engagement für die Gesellschaft
Kirchenmitgliedschaft und Religiosität hätten einen Einfluss auf das Engagement für die Gesellschaft, erklärte Pollack: "Je religiöser die Menschen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie in andere Menschen Vertrauen haben". Der Kirche verbundene Menschen hätten auch mehr Vertrauen in staatliche Institutionen.
"Die Institutionen, die unsere Gesellschaft zusammenhalten und das Funktionieren der Gesellschaft garantieren, werden durch dieses Vertrauen gestärkt", sagte der Wissenschaftler.