DOMRADIO.DE: In der Balkan-Region war der Papst schon häufiger, vor allem um den Dialog mit den orthodoxen Christen zu stärken. Während er noch in Bulgarien bei Patriarch Neofit mehr oder weniger abgeprallt ist, sah das bei den orthodoxen Christen in Rumänien anders aus, oder?
Christoph Strack (Journalist, Begleiter der Papstreise nach Rumänien): Die Begegnungen, die er am ersten Tag seiner Reise in Bukarest mit dem rumänisch-orthodoxen Patriarchen Daniel und mit der kompletten Kirchenspitze hatte, waren durchaus von Herzlichkeit und Dialog geprägt. Das konnte man spüren. Man wird sehen, welche Nachwirkungen das haben wird.
Man muss aber auch sagen, dass es nicht zu der bedeutenden Geste kam, dass der Papst gleichzeitig mit dem Patriarchen das Vaterunser spricht. Das geschah nacheinander in italienischer, lateinischer und rumänischer Sprache. Aber trotzdem wirkte diese Atmosphäre herzlich. Der Papst zeigte sich im Nachhinein auch nicht davon enttäuscht.
Insgesamt muss man sagen, dass diese offizielle Begegnung gerade im Vergleich zu der Bulgarienreise des Papstes ausgesprochen herzlich war. Man muss wissen, dass viele Menschen in Rumänien, die auf Seiten der römischen Kirche stehen, Verletzungen aus der Zeit der Diktatur davontragen, die auch mit der Orthodoxie zusammenhängen. Deswegen wird eine "Heilung" auch an der Basis eine Weile dauern.
DOMRADIO.DE: Es war eine Pastoralreise von Papst Franziskus. Aber er hat auch den rumänischen Präsidenten Klaus Johannis getroffen und sich die zerstrittene rumänische Politik zur Brust genommen, oder?
Strack: Das kann man sehr deutlich so sagen. Dabei ist Präsident Johannis letztlich sogar sein Verbündeter. Es ist schon interessant, dass der katholische Papst in dem protestantischen, lutherischen Präsidenten Klaus Johannis, der ja aus Sibiu (Hermannstadt, Anm. d. Red.) stammt, einen Verbündeten hat.
Es war bei den Ansprachen des Papstes deutlich zu merken, dass er die Politik dringend mahnt, stärker auf Gemeinwohlorientierung zu setzen. Dass er damit vermutlich bei seinen Gläubigen nicht falsch liegt, war beim großen Abschlussgottesdienst in Blaj am Sonntag zu spüren. Vor der Feier wurden auf die großen Bildschirme Bilder des Präsidenten, der mit seiner Frau durch die langen Reihen ging, projiziert. Das wurde von Beifall begleitet. Irgendwann schwenkte die Kamera dann auf die Ministerpräsidentin des Landes, die der Sozialdemokratischen Partei angehört – und für einen kurzen Moment ebbte der Beifall ab. Es gab plötzlich ein Raunen und einige Buhrufe. Man konnte merken, dass dieses Bild nicht passte und sofort erschien der Präsident wieder auf den Bildschirmen.
Es geht im Hintergrund um Korruption und um die Gefährdung des Rechtssystems in Rumänien. Dafür steht politisch die jetzige Regierung, die sozialliberale Koalition in Bukarest. Der Präsident ist letztlich derjenige, der der Garant des Rechtsstaats ist. Das wird von den Menschen geschätzt.
DOMRADIO.DE: Eher ermunternde Worte hat Franziskus für den Konflikt zwischen den Rumänen und Ungarn gefunden. Warum gibt es zwischen den beiden Nationalitäten überhaupt Reibereien?
Strack: Wie in vielen Regionen des Balkans, ist es auch in Rumänien so, dass die Grenzen im Laufe der Zeit immer mal wieder anders verliefen oder neu gezogen wurden. Es gibt innerhalb der rumänischen Bevölkerung Angehöriger einer ungarischen Minderheit. Ein Großteil der Katholiken in Rumänien gehört dieser ungarischen Minderheit an.
Der Papst hat dies aufgegriffen, als er am Samstag im Osten des Landes eine große Messe gefeiert hat, zu der viele Ungarn erwartet wurden. Er feierte eine Messe an einer Wallfahrtsstätte für ungarisch-stämmige Gläubige. Man hatte erwartet, dass es dort eventuell zu nationalistischen Protestaktionen der ungarisch-stämmigen Minderheit kommen könnte. Es waren auch viele Ungarn über die Grenze gekommen.
Letztendlich hat der Papst dort das gesagt, was ein bisschen auch Tenor seiner Reise war. Er hat davor gewarnt nicht länger auf die Spaltung und Zersplitterung oder auf die Wunden der Vergangenheit zu schauen, sondern den Dialog und die Einheit zu suchen. Dies gelte auch für die, wie er sagte, gemeinsame ungarische und rumänische Tradition dieser Wallfahrtsstätte.
Der Papst ist deshalb auch sehr sensibel vorgegangen. Zunächst hat er seine Predigt auf Italienisch, danach auf Rumänisch und schließlich auf Ungarisch vorgetragen. Im Vorfeld war diese Sprachenlösung diskutiert worden – auch dahingehend, ob es überhaupt eine ungarische Variante geben solle. Aber der Papst betonte, alle sollen verstehen können, was er sage und alle sollen sich daran ausrichten, auf den Dialog statt auf Feindschaft oder Zersplitterung zu setzen.
Das Interview führte Tobias Fricke.