Kaum sind die Lieder verklungen und die Festessen von Heiligabend und dem ersten Weihnachtstag verdaut, rüsten sich die Spanier zu neuen Taten und Einkäufen. Schließlich hält die Weihnachtszeit hier bis 6. Januar an, dem Dreikönigsfest. Erst dann gibt es für viele Kinder Geschenke, was der Nachwuchs als bedauerlich empfinden dürfte. Kaum bleibt Zeit, die Präsente in Ruhe zu testen - dann beginnen schon wieder Schule oder Kindergarten.
"Tag der unschuldigen Kinder"
Ein Datum der besonderen Art ist der 28. Dezember, der "Tag der unschuldigen Kinder", eigentlich der Gedenktag an den Kindermord in Bethlehem. Nichts würde ferner liegen, als an diesem Datum zu Schabernack aufgelegt zu sein - aber in Spanien ist eben vieles anders. Der 28. Dezember ist dort ein Quasi-Pendant zum 1. April.
Urheber der spanischen Spaßkultur sollen im Mittelalter Ministranten gewesen sein; der Ursprung ist allerdings nicht gesichert. Fest steht, dass sich Spanier in der kühlsten Jahreszeit gegenseitig in den April schicken, die Medien nach Kräften "Enten" in die Welt setzen und Prominente aufs Glatteis führen.
Termin am frühen Silvesterabend ist vielerorts eine "Carrera de San Silvestre", ein Silvesterlauf. Dann lassen sich die letzten Kalorien des Jahres verbrennen. Volksläufe - gewöhnlich mit Distanzen zwischen fünf und zehn Kilometern - führen durch viele Innenstädte. Für Kinder und Jugendliche gibt es kürzere Strecken. Dann geraten die Rennen zu Familien-Events.
Der größte Silvesterlauf mit rund 40.000 Teilnehmern startet in Madrid. Zusätzliche Anreize für Zuschauer bekommen die Spektakel durch karnevalistisch verkleidete Starter. Der Silvesterlauf im Pyrenäenort Villanua geht sogar mit einem Kostümwettbewerb einher.
Zwölf Weintrauben zu Mitternacht
Für einen kulinarischen Marathon sorgt später das Silvestermahl, bei dem zum Abschluss weihnachtliche Traditionsleckereien auf den Tisch kommen: "Polvorones" und "Mantecados", gehaltvolle Schmalzküchlein, sowie "Turrones", Mandel-Nougat-Platten in unterschiedlichsten Konsistenzen von butterweich bis steinhart. Obst gibt es obendrauf: zwölf Weintrauben zu Mitternacht.
Da in jedem Haushalt der Fernseher dröhnt, gibt es kein Entrinnen, um auf diversen Kanälen eine Livesendung vom Zentralplatz Puerta del Sol in Madrid zu erleben. Bei jedem der von dort übertragenen zwölf Glockenschläge gilt es, eine Traube zu verspeisen. Gelingt dies verschluckfrei, steht das neue Jahr unter einem guten Stern. Allerdings kommt es dabei immer wieder auch zu Todesfällen durch Ersticken - den ersten im neuen Jahr.
Feuerwerk zum Jahreswechsel wird vergleichsweise wenig abgebrannt. Auch Böller haben zu diesem Termin in Spanien kaum Tradition. Die Stadt Pamplona ist eher dafür bekannt, dass man bis in die frühen Morgenstunden verkleidet ausschwärmt. Tage zuvor bersten Schaufensterauslagen vor Kostümen und Masken, gerne auch von Prominenten. Und so wirft man sich in der Silvesternacht als "Trump" und dergleichen ins Getümmel.
Dreikönigsumzüge
Der Festzyklus steuert am Abend des 5. Januar einem neuerlichen Höhepunkt entgegen: den Dreikönigsumzügen. Dann ziehen die Weisen aus dem Morgenland mit Pauken, Trompeten und Gefolgen durch Orte und Städte. Manche sitzen auf echten Kamelen. Nach Diskussionen in der Vergangenheit hat sich vereinzelt durchgesetzt, dass gleichberechtigt auch Frauen die Könige spielen dürfen.
Dreikönig ist in Spanien Nationalfeiertag. Das bedeutet in den Familien ein neuerliches Festessen - samt Dreikönigskuchen. Und wer bei der Weihnachtslotterie im Dezember nicht erfolgreich war, bekommt am 6. Januar eine neue Chance: bei der Mega-Lotterie "El Nino". Die Ausschüttungssumme liegt bei mehr als 600 Millionen Euro. Was Spanier aber gerne verdrängen: Gewinne über 2.500 Euro müssen versteuert werden. Ein Fünftel fällt an den Fiskus, der damit das größte Weihnachtsgeschäft von allen macht.