SPD-Vorstand plädiert für "sozialen Arbeitsmarkt" und stößt nicht nur auf Zustimmung

Steuergeld für 100.000 neue Jobs?

Brauchen schwer vermittelbare Arbeitslose einen "dritten Arbeitsmarkt" mit staatlich finanzierten Jobs? Der SPD-Vorstand meint Ja und hat in Bremen neben Steuergutschriften für Geringverdiener die Einführung eines "sozialen Arbeitsmarktes" vorgeschlagen. "Eine Zahl von 100.000 Personen ist für den Anfang realistisch", heißt es in dem SPD-Konzept. Ob eine dauerhafte Beschäftigungsförderung für Langzeitarbeitslose sinnvoll ist, ist bei Wohlfahrtsverbänden, Parteien und Arbeitgebern allerdings heftig umstritten.

 (DR)

Im Kern der Debatte steht die Frage, ob der Staat im Kampf gegen die seit Jahren verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit seine Beschäftigungsförderung ausweiten soll. Bisher umfasst der so genannte zweite Arbeitsmarkt vor allem Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) und die ebenfalls umstrittenen Arbeitsgelegenheiten (Ein-Euro-Jobs). Im ersten Arbeitsmarkt finden sich alle sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse.

Befristete Förderangebote reichen nicht aus
Bisherige, stets befristete Förderangebote reichen nach Ansicht vieler Experten längst nicht aus, um allen Jobsuchern mit "multiplen Vermittlungshemmnissen" eine Beschäftigungsalternative zu bieten. Sie schätzen die Zahl der Betroffenen mit schweren Handicaps wie Suchtproblemen, gesundheitlichen Einschränkungen oder Obdachlosigkeit auf 400.000 bis 600.000 Personen. Nach Angaben des Instituts für
Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) lag die bundesweite Zahl der Ein-Euro-Jobs 2006 bei rund 300.000, dazu kamen weniger als 50.000 ABM-Angebote.

Diakonie, Caritas und Deutscher Gewerkschaftsbund sehen dringenden Handlungsbedarf, die staatliche Beschäftigungsförderung auszuweiten. Bernd Schlüter, sozialpolitischer Vorstand des Diakonischen Werks der EKD, signalisiert Zustimmung zu den Plänen der SPD. Im Bereich der sozialen Betreuung und der hauswirtschaftlichen Unterstützung von alten und behinderten Menschen sowie von Familien und allein Erziehenden könnten Zehntausende neuer Jobs entstehen. Er liegt auf einer Linie mit dem Deutschen Caritasverband. Dessen Generalsekretär Georg Cremer plädiert für einen "sinnstiftenden und integrierenden Beschäftigungssektor, der durchlässig zum regulären Arbeitsmarkt ist".


Gegener befürchten Verdrängungeffekte
Zu den entschiedenen Gegnern solcher Pläne zählt neben der FDP auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Die Experten warnen vor dem Aufbau eines dritten Arbeitsmarktes. Der berge die Gefahr, "Arbeitslose als von vornherein chancenlos zu klassifizieren" und dadurch eine mögliche Rückkehr auf den ersten Arbeitsmarkt unnötig zu erschweren. Außerdem drohten Verdrängungseffekte auf dem regulären Jobmarkt, "die inakzeptabel groß sind".

Arbeitgeber gegen rein passiv versorgende Maßnahmen
Auf Gegenkurs zu den SPD-Plänen gehen auch die Arbeitgeber. "Die schnelle und passgenaue Vermittlung muss Vorrang vor allen Förderleistungen haben", formuliert die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) in einer Stellungnahme zur Reform der Arbeitsmarktpolitik. Die Arbeitgeber lehnen nicht nur "rein passiv-versorgende Maßnahmen wie zum Beispiel ABM" strikt ab, sondern erteilen auch dem dritten Arbeitsmarkt eine klare Absage. Es dürfe kein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor entstehen, "der die fehlsteuernden Effekte des zweiten Arbeitsmarktes auch noch gesetzlich festschreibt".

Unterdessen zeichnet sich Zeitungsberichten zufolge ab, wie die Koalition sozialversicherungspflichtige Jobs für schwer vermittelbare Arbeitslose schaffen will. Nach einem zwischen Union und SPD ausgehandelten Kompromiss sollen diese Stellen unbefristet mit der Hälfte des tarifvertraglichen oder ortsüblichen Lohns bezuschusst werden. Das Konzept sieht vor, die Stellen in der Privatwirtschaft, in Integrationsbetrieben, wie sie bereits für behinderte und nichtbehinderte Arbeitnehmern bestehen, sowie im Rahmen gemeinnütziger Bürgerarbeit einzurichten. Ansprüche auf Arbeitslosengeld könnten nicht erworben werden, hieß es bei der SPD.