epd: Frau Mages, ob Krake Paul oder Dackel-Orakel: Tiere, die das Ergebnis von Fußballspielen "vorhersagen", haben bei Großereignissen wie der Europameisterschaft (EM) Konjunktur. Ist das Aberglaube?
Stephanie Mages (Nürnberger Pfarrerin und Sportbeauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern): Wenn der Dackel die Tore fürs Spiel prophezeit, ist das einfach witzig. Schließlich rätseln ja alle, wie das Spiel ausgehen wird; viele verbinden ihren Tipp sogar mit einem Geldeinsatz. Natürlich ist das totales Glücksspiel, denn Dackel haben keinen siebten Sinn. Aber die Menschen haben Spaß daran, am Spiel mit dem Glück und an der eigenen Fähigkeit, Mannschaften gut einzuschätzen.
epd: Beim Elfmeter-Schießen kommt so manchem Fan ein Stoßgebet über die Lippen. Wie ist das mit dem Beten für den Sieg?
Mages: Gott wird durch ein Gebet nicht dazu bewegt, auf magische Weise den Ball ins Tor zu zaubern. Aber Hoffnung auf göttliche Hilfe ist natürlich immer erlaubt. Ansonsten glaube ich, dass solche Stoßgebete eher eine Art von Stressumgang sind, ein Ventil und Katalysator für die Anspannung in so einem Moment. Wenn Spieler vor dem Anpfiff noch kurz beten, dann ist das ein Moment der Sammlung: Man bündelt und mobilisiert seine Kräfte, vergewissert sich, dass man sich gut vorbereitet hat und jetzt frei aufspielen kann. Natürlich hoffe ich, dass auch höhere Aspekte wie das Fair Play, das Siegen mit fairen Mitteln, bei solchen Stoßgebeten mitschwingen.
epd: Viele Spieler fallen auf dem Platz mit religiösen Gesten auf:
Der Blick Richtung Himmel, das Bekreuzigen, bevor man beim Wechsel auf den Platz kommt. Ist das echt oder Show?
Mages: Es sind große Gesten. Wenn jemand ein Stirnband mit dem Aufdruck "Jesus" trägt, erregt er damit Aufmerksamkeit. Aber ich glaube nicht, dass das nur Taktik ist. Religiöse Zeichen sind ja ansonsten in der Gesellschaft eher verpönt. Vielen Spielern, gerade aus katholisch geprägten Ländern wie Italien oder Spanien, ist das Bekreuzigen in Fleisch und Blut übergegangen. Ich kaufe ihnen ab, dass es für sie persönlich wichtig ist.
Das Interview führte Susanne Schröder.