Mit dem Pomp der drei großen "Nationalen Sonderausstellungen" zum Reformationsgedenkjahr 2017 kann sie nicht mithalten. Doch die kleine, aber feine Schau der Staatsbibliothek zu Berlin, die am Donnerstag eröffnet wurde, hat ihre Trümpfe, mit denen sie sich nicht zu verstecken braucht: die Original-Drucke der folgenreichen 95 Thesen Martin Luthers zum Ablasswesen.
Genauer gesagt sind es zwei von sieben noch existierenden Plakatdrucken, die 1517 von den auf Latein abgefassten Diskussionsthesen des Wittenberger Augustinermönchs gleichzeitig in Nürnberg und Leipzig hergestellt wurden. Hinzu kommt eine kleinere Ausgabe auf vier Blättern im Quartformat aus Basel, die erstmals überhaupt zusammen mit den beiden anderen in der Ausstellung gezeigt wird - allerdings nur in den beiden ersten Wochen. Die Staatsbibliothek konnte dabei auf ihre eigenen Bestände zurückgreifen - sie besitzt einen Druck aus Nürnberg, das ebenfalls zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz gehörende Geheime Staatsarchiv einen aus Leipzig.
Unscheibare Blätter ohne Illustration
Den unscheinbaren Blättern ohne Illustration ist ihre Sprengkraft kaum anzusehen - anders als die 1518 von Luther unter dem Titel "Sermon von dem Ablass und Gnade" auf Deutsch verfasste Schrift, die das Anliegen einem breiten Publikum vermittelte und zu einem ersten Bestseller wurde, erschienen sie nur in kleiner Auflage von je 300 Exemplaren.
Neben den drei Thesendrucken hat die Bibliothek weitere Kostbarkeiten unter dem Titel "Bibel - Thesen - Propaganda. Die Reformation erzählt in 95 Objekten" zusammengestellt, und das in sechs "Kapiteln". Zu den "Schlüsselereignissen" zählt etwa die Bulle, mit der Papst Leo X. Luther den Bann androhte. Im Kapitel über die Bibel werden außergewöhnlich schön ausgestaltete Exemplare der Luther-Übersetzung sowie Ausgaben in anderen Sprachen gezeigt.
Bilderzyklus gegen das Papsttum
In der Abteilung "Theologie und Propaganda" sind etwa Flugblätter aus Luthers Bilderzyklus gegen das Papsttum zu sehen, mit ebenso polemischen Formulierungen des Reformators wie drastischen Illustrationen von Lucas Cranach d.Ä. - der Papst als Esel oder auf einer Sau reitend. Die Gegenpropaganda zeigte Luther als "Missgeburt". Das Kapitel "Streit und Krieg" geht auf die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien ebenso ein wie auf den blutigen Kampf gegen die "Wiedertäufer" etwa in Münster.
Auch Luthers berüchtigte Spätschrift "Von den Juden und ihren Lügen" gehört in diesen Kontext. Friedlicher geht es im Kapitel "Kirchenmusik" zu: Gezeigt werden hier außer den frühesten Sammlungen lutherischer Kirchenlieder - darunter ein sofort wieder verworfener Kompositionsversuch Martin Luthers selbst - auch Autographe von Johann Sebastian Bach, Georg Philipp Telemann und Felix Mendelssohn Bartholdy. Im abschließenden, der Rezeption bis in die Gegenwart gewidmeten Teil sind ganz unterschiedliche Objekte wie ein Holzschnitt Max Pechsteins zum "Vater Unser" oder ein "Abrafax"-Comic für Kinder zu bewundern - schließlich muss die Zahl 95 erreicht werden.
Eröffnung der Ausstellung sprach ein Katholik
"Wer der damaligen Zeit nahe kommen will, sollte sich mit den hier gezeigten handschriftlichen und gedruckten Quellen jener Bewegung befassen, die Martin Luther mit seinen Werken auslöste und in der Folge die christliche Welt tiefgreifend veränderte", betont die Generaldirektorin der Staatsbibliothek, Barbara Schneider-Kempf.
Zur Eröffnung der Ausstellung sprach ausgerechnet ein Katholik - der emeritierte Mainzer Kardinal Karl Lehmann und langjährige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Die ihm vorgelegte Frage "Warum und wie können Katholiken das 500-jährige Reformationsgedenken 2017 mitbegehen?" beantwortete er zum einen mit einem Rückblick auf den lutherisch-katholischen Dialog der vergangenen Jahrzehnte. Zum "Wie" verwies der Kardinal auf die erste der 95 Thesen Luthers, dass "das ganze Leben der Gläubigen Buße sein sollte". In diesem Sinne müssten alle Christen "gegenüber Gott und auch uns selbst gegenüber gemeinsam immer von vorne anfangen, nämlich mit dem Evangelium, das den ersten Rang hat".