Staatspräsident Hollande am Mittwoch bei Papst Franziskus

Ein Gipfel im Schatten des Terrors

Nizza, Rouen, Paris: Was sich wie das attraktive Programm eines Europa-Touristen liest, ist zu einer Route des Terrors geworden. Wenn Frankreichs Präsident Francois Hollande Papst Franziskus besucht, gibt es viel zu besprechen.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Treffen sich im Vatikan: Francois Hollande und Papst Franziskus / © Gabriel Bouys (KNA)
Treffen sich im Vatikan: Francois Hollande und Papst Franziskus / © Gabriel Bouys ( KNA )

Islamisten haben das Klima in Frankreich, angesichts schwacher Wirtschaftszahlen und Stagnation auf dem Arbeitsmarkt ohnehin übel, noch weiter eingetrübt. Der glücklose Sozialist Francois Hollande kann derzeit jede Unterstützung gebrauchen. Ob der Staatspräsident beim Vier-Augen-Gespräch mit seinem Namensvetter Franziskus am Mittwoch im Vatikan über die Solidarität mit den Opfern hinaus womöglich auch kritische Anfragen hören muss, wird sich zeigen.

Frankreichs Gesellschaft und das Christentum

Denn Frankreichs Gesellschaft, noch von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) stolz die "älteste Tochter der Kirche" genannt, hat sich seitdem immer mehr vom Christentum abgewandt. Das Verhältnis von Laizität und Laizismus hat sich zu einem Dauerspannungsfeld entwickelt. Sprich: Nutzt der Staat seine weltanschauliche Neutralität, um freie Religionsausübung zu schützen und zu begünstigen - oder definiert er den öffentlichen Raum als frei von religiösem Bekenntnis? Die widersprüchlichen Urteile französischer Gerichte zum Tragen religiöser Symbole spiegeln eine enorme gesellschaftliche wie behördliche Verunsicherung wider.

Mit diversen Gesetzen haben Hollandes Sozialisten seit 2012 einstige Bastionen bürgerlich-christlicher Werte geschleift. Die "Homo-Ehe" wurde eingeführt, embryonale Stammzellforschung bedingt zugelassen; dazu ein Gesetzesvorstoß für aktive Sterbehilfe und eine Liberalisierung der Abtreibungsgesetze. Auch das erst im Mai beigelegte diplomatische Tauziehen um die Ernennung des homosexuellen Laurent Stefanini (56) zum Pariser Botschafter beim Heiligen Stuhl ist keineswegs vergessen. Bei der Audienz am Mittwochnachmittag wird Hollande neben Innenminister Bernard Cazeneuve auch vom letztendlich ernannten Philippe Zeller (63) begleitet.

Intervention der Regierung gegen Lyoner Kardinal Barbari

Und schließlich die außergewöhnliche Intervention der laizistischen Regierung Manuel Valls gegen den Lyoner Kardinal Philippe Barbarin. Nach Vorwürfen eines einstigen Missbrauchsopfers, der heutige Primas von Frankreich habe vor Jahren in verantwortlicher Position entsprechende Anschuldigungen gegen einen Priester nicht verfolgt, hatte Ministerpräsident Valls unverhohlen (und sehr früh) Barbarins Rücktritt gefordert. Die Ermittlungen wurden unterdessen eingestellt.

Am Ende weiß aber auch der Vatikan: Frankreich wird als intakter politischer Akteur gebraucht, um weiter ein Motor für die stotternde EU sein zu können. Und zudem: Schlägt man auf einen ohnehin geprügelten Hund weiter ein? Die zweite Begegnung von Franziskus und Francois (nach Januar 2014) dürfte vor allem im Zeichen des islamistischen Terrors in Frankreich und in der postkolonialen frankophonen Welt stehen.

Islam und Gewalt nicht gleichzusetzen

Einig sind sich die beiden, dass Islam und Gewalt - auch trotz der jüngsten Anschläge - keineswegs gleichzusetzen sind. Das ist wichtig für ein Land, in dem wohl mehr als 5 Millionen Muslime unter 66 Millionen Franzosen die zweitgrößte Religionsgemeinschaft sind. Die meisten von ihnen sind Einwanderer aus den früheren Kolonien in Nordafrika: Algerien, Marokko und Tunesien. Zentren des Islam (und des Islamismus) in Frankreich sind die Vorstädte von Paris, Marseille, Lyon und Straßburg.

Franziskus stellte zuletzt klar, man könne wohl die Terroristen des "Islamischen Staates" als gewalttätig bezeichnen, nicht aber den Islam als ganzen. "Wenn ich von islamischer Gewalt spreche", so der Papst, "dann muss ich auch von katholischer Gewalt sprechen".

Interessant dürfte in diesem Kontext auch das Thema Jacques Hamel sein. Dem 85-jährigen Priester schnitten Islamisten Ende Juli bei Rouen brutal die Kehle durch. Der Erzbischof der Region, Dominique Lebrun, warf am Wochenende einen Stein ins Wasser: Hamel könnte als christlicher Märtyrer durchaus seliggesprochen werden.

Frankreich im Wahlkampfmodus 2017

Klar ist bei allem Getöse der Tagespolitik: Frankreich ist längst im Wahlkampfmodus 2017. Im März war der bürgerliche Zappelphilipp Nicolas Sarkozy bei Franziskus - und er wird nicht angestanden haben, kräftig in die Kerbe der sozialistischen Fauxpas zu hauen. Die Kandidatin des rechtspopulistischen Front National, Marine Le Pen, ist derzeit noch ein No-go im Vatikan. Nun hat also Amtsinhaber Hollande seine Gelegenheit zur Profilierung. Wo wird am Ende der Vatikan den Weg Frankreichs sehen zwischen Skylla, Charybdis und Cholera?

Italienischen Medienberichten zufolge fiel die Entscheidung für den Papstbesuch Hollandes nach der Ermordung des Priesters Jacques Hamel bei Rouen am 26. Juli. Die Tat hatte die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) für sich beansprucht. Vor seinem Treffen mit Franziskus soll Hollande laut Medienberichten die französische Nationalkirche "San Luigi dei Francesi" nahe der Piazza Navona in Rom aufsuchen, um dort der Terroropfer zu gedenken.


Quelle:
KNA