Mit seinen rund 8.000 Stacheln ist er ideal vor Feinden geschützt. Lange Zeit konnte kaum etwas das nachtaktive Gartentier in die Bredouille bringen. Doch die Zahl der Igel geht spätestens seit Mitte der 1990er Jahre nicht nur in Deutschland stark zurück. Auch das ist ein Grund, warum die Heinz Sielmann Stiftung den Igel zum Gartentier 2020 ernannt hat.
Auf deutschen Straßen findet man immer weniger überfahrene Igel. Diese gute Nachricht ist eigentlich eine schlechte; denn es gibt kaum noch Igel, die überhaupt überfahren werden könnten. "Bis heute ist der Bestand regelrecht zusammengebrochen", erklärt Nora Künkler, Biologin und Sprecherin der Sielmann Stiftung. Durch Pestizideinsatz, Insektensterben, dichte Bebauung und fehlende Brachflächen finden die Stacheltiere immer weniger Nahrung und Lebensräume.
Keine genauen Zahlen
Genaue Zahlen über die heimische Igelpopulation und deren Entwicklung sind Mangelware. Es sei sehr mühsam, die nachtaktiven Tiere, die versteckt im Unterholz leben, zu zählen, erklärt Anne Berger vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin.
Die Verhaltensbiologin geht selbst in Berliner Parks und Friedhöfen zu später Stunde auf die Suche. Meist finde sie zwei, drei Tiere auf einem Gelände. Anders im Treptower Park, wo sie 2015 auf 80 Hektar stattliche 55 Igel registrierte. Bis dort 2016 - mit Igelschutzauflagen - ein Festival stattfand. Wenig später wurden alte Büsche durch Neupflanzungen ersetzt. "Drei Jahre später fanden wir dort nur noch zwei Igel."
Igelstraßen sollen den Tieren helfen Nahrung zu finden
Parallel verlaufe die Entwicklung in England, dem "Mutterland der Igelforschung". Schon seit einigen Jahrzehnten beobachte man dort "dramatische Rückgänge", sagt Berger. Immerhin sei die tierliebe Bevölkerung in einer breiten Kampagne früh für das Thema sensibilisiert worden. "Die Briten, die auch gerne ihre Gartenvögel zählen, waren schnell bereit, unter wissenschaftlicher Anleitung die Nächte draußen beim Igelzählen zu verbringen und ihre Beobachtungen aufzuschreiben", freut sich die Spezialistin. Deshalb habe man einen guten Überblick über die Igel-Population in ganz England.
Und die Zählung war erst der Anfang. Die Bürger wurden ermuntert, in Hinterhöfen und Gärten sogenannte Igelstraßen anzulegen. Durch eigens in Gartenmauern und Bretterzäune eingelassene und gekennzeichnete Löcher können sich die Tiere bei ihrer nächtlichen Suche nach proteinhaltiger Nahrung wie Regenwürmern und Käferlarven nun ungehindert durch ihr Revier bewegen. In der Initiative "Hedgehog Street" tauschen sich Gleichgesinnte aus und küren eigene "Hedgehog Champions".
Mähroboter bedrohen die Igel
Berger wünscht sich solches Engagement auch hierzulande. Schließlich kann aus ihrer Sicht jeder Gartenbesitzer einen Teil zum Überleben der Stacheltiere beitragen, etwa durch insektenfreundliche Pflanzen und geeignete Unterschlupfmöglichkeiten zwischen totem Holz und Laub. Auch Künkler wirbt für "Schmuddelecken" im Garten; nur so finden Igel aus Expertensicht genügend Möglichkeiten, sich ein Nest für den Tag und für den Winterschlaf zu bauen.
Aber nicht jeder Garten ist gleich ein guter Lebensraum für Igel. Laubbläser und Mähroboter hätten in ökologisch orientierten Privatgärten und in Parks nichts verloren, sagt Berger. Zwar versicherten die Hersteller von Mährobotern, ihre Geräte würden den "Apfeltest" bestehen und auf dem Boden liegende Hindernisse umfahren. "Aber die Zahlen aus den Tierarztpraxen sagen etwas anderes", beklagt die Fachfrau. "Ein Igel sagt leider keinen Mucks, wenn er von den Maschinen verletzt wird. Er verkriecht sich ins Gebüsch und stirbt jämmerlich."
Ausstiegshilfen an Treppen oder Teichen legen
Für mindestens genauso gefährlich hält Berger Laubbläser. "Sie schleudern junge Igel unbemerkt und zusammen mit dem Laub nur so durch die Luft, und diese erleiden dann oft viele Knochenbrüche." Auch Treppen, Kellerschächte und Steilufer von Teichen können zur Todesfalle werden. Mit Ausstiegshilfen aus Ziegelsteinen oder Brettern kann sich ein Tier wieder befreien.
Berger hofft, dass sich die Bestände des Igels auch wieder erholen, so wie sie jetzt eingebrochen sind. Die Möglichkeit dazu bestünde zumindest, wenn wieder günstigere Lebensbedingungen für den Igel geschaffen werden.