Stammzellgesetz: Kardinal Meisner und Ministerpräsident Rüttgers bedauern die Entscheidung des Bundestages

"Ein schwarzer Tag für unser Land"

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner hat die Bundestagsentscheidung zur Ausweitung der Forschung an embryonalen Stammzellen scharf kritisiert. "Heute ist ein schwarzer Tag für unser Land und für unsere Gesellschaft", sagte der Erzbischof am Freitag der Katholischen Nachrichten Agentur (KNA) in Köln. "Ich bin fassungslos, dass eine Regierung unter der Führung einer Partei, die das christliche C in ihrem Namen trägt, so unverantwortlich mit dem menschlichen Leben umgeht." Viele Menschen hätten damit ihre politische Heimat verloren.

 (DR)

Meisner betonte, die katholische Kirche werde nicht resignieren, sondern umso stärker für den "Schutz des menschlichen Lebens in allen seinen Phasen, darunter die embryonalen Kinder", eintreten. Er habe den Eindruck, außer der katholischen Kirche tue dies kaum noch eine Institution in diesem Land. "Darum sind wir in dieser Frage wichtiger denn je." Als Embryonen für die Forschung freigegeben worden seien, habe er schon gesagt, dass damit eine ethische Wanderdüne freigesetzt werde. Das habe sich nun bestätigt.



Bischof Mixa kritisiert Beschluss zum Stammzellengesetz



Auch der Bischof von Augsburg, Dr. Walter Mixa, hat den Beschluss des Bundestages zur Ausweitung der Forschung mit embryonalen Stammzellen in Deutschland scharf kritisiert. Der Beschluss sei eine Missachtung der elementaren Menschenrechte, sagte der Bischof bei einem Kongress vor über 2000 Katholiken in Augsburg. Deutschland hätte es gut angestanden, mit einem strengen Verbot für die Forschung mit embryonalen Stammzellen international ein Zeichen für den Schutz des menschlichen Lebens zu setzen, sagte Mixa.



Der Bischof rief Kirche und Lebensschutzorganisationen dazu auf, nach dem Beschluss des Bundestages nicht zu resignieren sondern die Forschung mit menschlichen Embryonen, bei der ungeborene Kinder getötet werden müssen, gesellschaftlich zu ächten und Forschungsmittel der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union konsequent in die Forschung mit erwachsenen Stammzellen umzuleiten, für deren Gewinnung menschliches Leben nicht vernichtet wird. Bischof Mixa kündigte eine langfristig angelegte Initiative für die Wiederherstellung eines umfassenden Schutzes des menschlichen Lebens in allen Phasen an, die vor allem in die Parteien und Parlamente hineinwirken solle. "Deutsche Politiker in allen Parteien müssen in Zukunft ganz klar wissen, dass sie die Unterstützung der Kirche und der katholischen Wähler nur dann haben, wenn sie ohne Wenn und Aber für das Lebensrecht des geborenen wie des ungeborenen Lebens eintreten. Wir brauchen in Deutschland neue Mehrheiten für das Leben", sagte Mixa wörtlich. "Wenn menschliches Leben zu therapeutischen Zwecken getötet wird, wenn Menschen getötet werden um andere Menschen zu heilen, sind wir einer totalen Unmenschlichkeit und damit der Barbarei näher als wir denken", betonte der Bischof. Mit dem christlichen Menschenbild und der Morallehre der Kirche sei dies absolut unvereinbar. "Wie Ministerin Schavan als Katholikin in der Stammzellendiskussion zu einer anderen Auffassung kommen kann, ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar", sagte Mixa.



Rüttgers: "Falsche Entscheidung"

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) hat die Entscheidung des Bundestages zur Stammzellenforschung kritisiert. "Ich halte das für eine falsche Entscheidung", sagte Rüttgers der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. "Ich bin sicher: In absehbarer Zeit werden wir sehen, dass es keinen nennenswerten Fortschritt gibt", sagte der frühere Bundesforschungsminister.



Die Zukunft liegt nach Rüttgers Ansicht vielmehr bei den adulten Stammzellen. Die finden sich im Körper von Erwachsenen. Embryonale Stammzellen werden dagegen aus der Tötung von menschlichen Embryonen in ihrem Anfangsstadium gewonnen. Nach der am Freitag vom Bundestag beschlossenen Lockerung des Stammzellengesetzes darf auch an embryonalen Stammzell-Linien geforscht werden, die nach dem 1. Januar 2002 entstanden sind. Neuer Stichtag ist der 1. Mai 2007.



Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) verteidigt unterdessen die Entscheidung. Sie sei zuversichtlich, dass die Forschung an "ethisch unbedenklichen Alternativen" zügig voranschreiten werde, sagte sie im Deutschlandfunk.



Der FDP- Bundestagsabgeordnete Konrad Schily sagte in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, die bisherigen Forschungsergebnisse bestätigen das nicht. "Da kann man nur sagen: Frau Schavan, Ihr Wort in Gottes Ohr", wird der frühere Präsident der Privat-Universität Witten/Herdecke zitiert.

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