"Stille Nacht" ist eines der beliebtesten deutschen Weihnachtslieder. Doch wenn es um die rund 3.300 Weihnachtsmärkte in Deutschland geht, sind Stille und Ruhe nicht so beliebt. Landauf landab schafft Musik auf den Märkten eine stimmungsvolle Atmosphäre. Auf Bühnen sorgen Künstlerinnen und Künstler mit Live-Musik für Unterhaltung, darunter auch lokale Künstler, Kinderchöre und Schulklassen.
Doch diese Tradition scheint bedroht: Von Altötting bis Coburg und von Mainz bis Koblenz streichen die Veranstalter der Weihnachtsmärkte - meist die Städte - das Musikprogramm zusammen. In Trier beispielsweise finden statt der geplanten neun nur zwei Live-Auftritte statt. In Koblenz sollten von montags bis freitags am Abend Chöre im Rahmen eines "Singenden Adventskalenders" auftreten. Doch die Veranstaltungen sind gestrichen.
Der Grund: exorbitant gestiegene Gebühren der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA), die die wirtschaftlichen Interessen der Komponisten, Produzenten, Sängerinnen und Sänger vertritt und in ihrem Auftrag Tantiemen für die Nutzung der Musik eintreibt.
Die GEMA selber verweist darauf, dass sich die Tarife gar nicht geändert hätten. Wer auf der Homepage der Gesellschaft nachschaut, findet ein ausgetüffteltes Tableau von Gebühren für Stadtfeste, Konzerte und Weihnachtsmärkte. Welcher Tarif gilt, hängt zum Beispiel davon ab, ob die Musik nur über Playlists abgespielt oder bühnenmäßig aufgeführt werden soll, wie lange und wie oft die Musik gespielt wird, und vor allem, wie groß die Veranstaltung ist.
Neu nachgemessen
Und letzteres ist ein Knackpunkt: "In der Vergangenheit haben die Veranstalter von Weihnachtsmärkten bei der GEMA häufig nur die Fläche um Bühnen und Lautsprecher herum als Veranstaltungsfläche angegeben, auf der die Musik tatsächlich zu hören war", teilt die GEMA mit. Sie selber setzt für die Berechnung der Tarife jedoch die gesamte Fläche des Weihnachtsmarktes an. Der Bundesgerichtshof habe diese Berechnungsgrundlage schon 2011 bestätigt.
2023 hat die GEMA deshalb in über 130 Städten neu nachgemessen. Die Folge: In Dresden haben sich die Gebühren verzehnfacht. In Koblenz würden für den "Singenden Adventskalender" mehr als 15.000 Euro an Kosten anfallen. In Frankfurt waren 2023 etwa 40.000 Euro für die GEMA fällig.
Stille Weihnachtsmärkte?
Vor allem kleinere und ehrenamtliche Veranstalter von Weihnachtsmärkten dürften da überfordert sein. Droht jetzt statt "Stille Nacht" der "Stille Weihnachtsmarkt"? Die CDU-Bundestagsabgeordnete Julia Klöckner warnt: "Ob Kirmes, Kerb, Weinfest oder Weihnachtsmarkt - Musik ist das Herzstück unserer Festkultur und auch prägend für deren Atmosphäre." Der drohende Verlust von Live-Musik habe auch Auswirkungen auf Musikvereine und Bands der jeweiligen Region.
Auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Schaustellerbunds, Frank Hakelberg, fordert im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Künstler und den Interessen der Städte und Gemeinden. Er befürchtet, dass die Attraktivität der Märkte leidet oder die höheren GEMA-Gebühren von den Kommunen in Form von höheren Standgeldern an die Betreiber von Buden und Verkaufsständen weitergereicht werden. Wenn immer mehr Weihnachtsmärkte ihr Musikprogramm einstellten oder verringerten, nutze das auch dem Geldbeutel der Künstler nicht.
Weitere Verhandlungen
Auch Alexander Handschuh, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, meldet Gesprächsbedarf an. "Man kann Stadtfeste und Weihnachtsmärkte nicht über einen Kamm scheren", sagte er der KNA. Weihnachtsmärkte dauerten Wochen - und die Musik stehe nicht so sehr im Vordergrund wie bei anderen Veranstaltungen.
Nach seinen Angaben haben sich die kommunalen Spitzenverbände im vergangenen Jahr in Gesprächen mit der GEMA für einen eigenen Weihnachtsmarkttarif eingesetzt. Sie seien leider gescheitert. Derzeit sei man aber wieder im Gespräch, um eine Regelung für 2025 zu finden, betont der Sprecher. Die CDU-Wirtschaftspolitikerin Klöckner verweist darauf, dass Hessen und Bayern bereits Pauschalverträge mit der GEMA abgeschlossen haben, um zumindest ehrenamtliche Veranstalter finanziell zu entlasten.