Steinmetz ruft ersten "Tag des Grabsteins" aus

Tod ist nicht das Ende der Individualität

Modern, individuell, digital - der Grabstein von heute bricht mit einem verstaubten Image. Der "Tag des Grabsteins" stellt die steinerne Erinnerung in den Mittelpunkt. Mancher Gestaltungswunsch landet jedoch vor Gericht.

Autor/in:
Lisa Konstantinidis
Eine Kerze erscheint auf dem Bildschirm des Smartphones, nachdem der QR-Code mittels einer App eingescannt wurde.  / © Jörg Loeffke (KNA)
Eine Kerze erscheint auf dem Bildschirm des Smartphones, nachdem der QR-Code mittels einer App eingescannt wurde. / © Jörg Loeffke ( KNA )

In Reih und Glied recken sie sich gen Himmel - als stummes Andenken an die Verstorbenen, die in der Erde ruhen. Grabsteine finden sich als wichtiges Element der traditionellen Grabgestaltung und des Gendenkens in diversen Farben und Formen auf Friedhöfen. An diesem Samstag (20. Oktober) wird den steinernen Andenken erstmals ein eigener Tag gewidmet.

Initiator des "Tags des Grabsteins" ist der Steinmetz und Friedhofsexperte Alexander Hanel. Er will nach eigenen Angaben einen Denkanstoß setzen und dazu anregen, sich mit der Bedeutung von Grabsteinen auseinanderzusetzen. "Der Gedenkstein ist das sichtbarste Zeichen, um an jemanden zu erinnern, der bereits verstorben ist", erklärt Hanel.

Trend zu mehr Individualität

Er möchte mit seiner Initiative auch zeigen, dass der Friedhof moderner geworden ist: "In der Öffentlichkeit sind alternative Beisetzungsformen wie beispielsweise See- oder Naturbestattungen immer mal wieder ein Thema. Für die große Mehrheit stellt der Friedhof jedoch immer noch einen angemessenen Ort für die letzte Ruhe dar."

Bei der Gestaltung von Grabsteinen zeigt sich dem Steinmetz zufolge ein deutlicher Trend zu mehr Individualität. Vor allem in den vergangenen fünf Jahren sei deutlich geworden, dass sich Hinterbliebene oft ein Grabmal wünschten, das Leben und Persönlichkeit des Toten widerspiegele. Hanel sieht jedoch auch eine Grenze bei den Gestaltungsmöglichkeiten: "Die Pietät muss gewahrt bleiben. Es ist in Ordnung, Hobbies oder Ähnlichem auf Grabsteinen Ausdruck zu verleihen, aber die individuellen Wünsche müssen dem Friedhof angemessen sein."

Diskussion um die Würde des Ortes

Ähnlich argumentierte das Verwaltungsgericht Hannover und urteilte aktuell gegen den Wunsch eines Witwers, eine 1,80 Meter große Statue in Form eines erhobenen Zeigefingers auf dem Grab seiner Frau aufzustellen. Der Richter befand, dass das Grabmal die Würde des Friedhofs verletze und anderen Besuchern nicht zuzumuten sei. Die Verbraucherinitiative Aeternitas hält diese Begründung für nicht überzeugend. Zwar schränke der Gemeinschaftscharakter eines Friedhofs das Recht individueller Grabgestaltung ein, die Würde des Ortes widerspreche aber nur solchen Gestaltungen, die die Empfindungen des "Durchschnittsbesuchers" verletzen könnten. Dies sei beim Zeigefinger nicht der Fall.

Gestritten wurde 2012 auch um den Wunsch eines neunjährigen BVB-Fans: Vor seinem Tod hatte er sich einen Grabstein mit dem Vereinsemblem samt Ball gewünscht. Die Kirchengemeinde lehnte den Entwurf zunächst ab. Am Ende einigten sich die Beteiligten auf eine leicht abgewandelte Form.

QR-Code auf Grabsteinen

Unbestritten ist, dass der digitale Zeitgeist die Friedhöfe erreicht: Seit einigen Jahren besteht die Möglichkeit, sogenannte QR-Codes einzubinden. Dabei handelt es sich um ein schwarz-weiß-gemustertes Quadrat, das codierte Informationen enthält, die mit dem Smartphone oder Tablet im Internet abgerufen werden können.

Der Kölner Steinmetz und Bildhauer Andreas Rosenkranz hat nach eigenen Angaben schon 2012 den ersten eigenständigen QR-Code auf einen Grabstein eingearbeitet. Obwohl er seitdem weniger als 100 Grabmale damit ausgestattet hat, glaubt er offenbar an die Zukunft der Technologie auf Friedhöfen: "Mit Hilfe eines QR-Codes können Hinterbliebene ein Grab weiter personalisieren und beispielsweise mit Texten oder Bildern an Verstorbene erinnern." Die Idee der Vernetzung mit digitalen Trauerräumen richte sich vor allem an einen jüngeren, internetaffinen Personenkreis - also einen wachsenden Markt.

Grundsätzlich Offenheit

Für den Geschäftsführer des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur, Oliver Wirthmann, gibt es aus christlicher Perspektive nichts gegen die Individualisierung der Bestattungskultur einzuwenden, sofern sie durch christliche Rituale ergänzt wird: "Sie bieten Stärke und geben Halt in einer unhaltbaren Zeit der Trauer." Es sei wichtig, beide Elemente zu vereinen.

Für den Theologen gibt es Grenzen: Eine lächerliche Inszenierung oder eine überzogene Betonung der Verdienste eines Verstorbenen solle kein Teil der Erinnerung sein. Dem Einsatz von QR-Codes steht Wirthmann offen gegenüber: "Digitale Möglichkeiten der Trauer sind hilfreich und haben Potenzial, müssen aber ergänzt werden durch eine konkrete Trauerbegleitung."


Quelle:
KNA