domradio.de: Was ist ein geistliches Testament?
Msgr. Markus Bosbach (Hauptabteilungsleiter Seelsorgebereiche des Erzbistums Köln): Das ist eigentlich ein Text, den ein Bischof zu Lebzeiten, wenn er bei klarem Verstand ist, schreibt, in dem er für ihn wichtige Gedanken zusammenfasst, die er gerne den Menschen in seiner Diözese, aber auch darüber hinaus mitgeben möchte. Für den Fall seines Todes stehen dort Dinge drin, mit denen er vielleicht auch noch mal zusammenfassen möchte, was sein Leben geprägt hat.
domradio.de: Ist das üblich, dass ein Bischof so etwas verfasst?
Bosbach: Wir hatten das schon bei Kardinal Höffner, der auch einige Jahre vor seinem Tod ein solches geistliches Testament verfasst hat. Und so hat das eben im Jahr 2011 auch bereits unser verstorbener Alt-Erzbischof getan, als er noch im Amt war.
domradio.de: Das ist also eher zum Ende einer Amtszeit üblich?
Bosbach: Das Ob und Wann obliegt der Entscheidung des Bischofs. Kardinal Meisner hatte damals den Zeitpunkt für richtig betrachtet. Und jetzt haben wir diesen sehr schönen Text.
domradio.de: Im Jahr 2011 war Benedikt XVI. noch Papst. Einer der großen Punkte in diesem Text besagt, dass die Papsttreue für Kardinal Meisner etwas sehr Wichtiges war. Und es ist kein Geheimnis, dass Kardinal Meisner nicht mit allen Entscheidungen des amtierenden Papstes Franziskus einverstanden war. Inwiefern spielt das eine Rolle, dass dieser Text schon vor sechs Jahren verfasst wurde?
Bosbach: Im Frühjahr hat mich Kardinal Meisner zu sich gebeten, weil er wollte, dass ich einige Dinge für seine Beerdigung übernehme - zum Beispiel das Pallium oder das Brustkreuz, das er nun jetzt im Tod tragen wird. Dann gab er mir auch das geistliche Testament. Er sagte: "Lesen Sie es ruhig mal durch". Das habe ich gemacht und bin dann natürlich hängengeblieben an diesem kleinen Abschnitt, wo es um den Petrusdienst, um das Papstamt geht. Ich habe gesagt: "Herr Kardinal, da spürt man aber doch sehr deutlich, dass Sie das in der Amtszeit von Papst Benedikt geschrieben haben". Dann wurde er ganz ernst und sagte: "Nein, das gilt auch jetzt, das gilt auch für mich jetzt. Der Papst ist der Petrus von heute und der ist mir nicht egal, auch wenn ich mal mit ihm und manchen Äußerungen so Schwierigkeiten habe, aber das ist der Papst. Und da lasse ich auch nicht von ab."
domradio.de: Was sagt uns das geistliche Testament im Gesamten über die Gedanken von Kardinal Meisner?
Bosbach: Dieser Text bezeugt eigentlich in jedem Wort das, wofür er gestanden hat, was auch am Mittwochabend wunderbar Kardinal Woelki noch einmal ausgedrückt hat und was mich auch immer an ihm fasziniert hat. Alles, was war, deutet er aus der Perspektive des Glaubens von Christus her. Es gab eigentlich für Kardinal Meisner nichts in dieser Welt, wirklich nichts, was nicht irgendwie von der Mitte des Glaubens her von ihm gedacht wurde
Das gilt im Übrigen auch für sein Verhältnis zum amtierenden Papst. Da wird oft in der Presse gesagt früher gab es die Koalition mit Benedikt XVI. oder mit Johannes Paul II. und heute dagegen die Opposition gegen Franziskus. Das sind politische Kategorien, das war Kardinal Meisner ganz fremd. Das kann ich wirklich bezeugen und viele, die ihn gut kannten, auch. Deswegen war es für ihn auch eine wirkliche geistliche Spannung, zu erleben, dass er nicht in allem so direkt folgen konnte oder auch wirkliche Zweifel hatte, die er ja auch noch dem Papst geschrieben hat. Aber das ist nicht einfach Politik, wie das manchmal jetzt so dargestellt wird. Das waren für ihn wirklich vom Glauben her ernsthafte Fragen.
domradio.de: Unabhängig vom Testament steht noch die Frage im Raum, was bleiben wird von Kardinal Meisner.
Bosbach: Ich glaube, wir können im Erzbistum Köln bei der Frage, was bleibt, ganz dankbar zurückschauen. Er hat aus seiner Zeit als Erzbischof das Bistum gut geführt. Wir haben viele gute, engagierte, auch junge Priester. Wir haben nicht das Gefühl, als wären wir geistlich am Ende. Auch Kardinal Woelki mit den Gedanken, die er reinbringt, darf auf ein lebendiges Bistum aufbauen. Das wird vielleicht auch von Innen mehr gesehen als von Außen. Persönlich bin ich ihm sehr, sehr dankbar.
Er ist für mich auch irgendwie ein geistlicher Vater. Es gibt sicher Priester bei uns, die noch einen noch engeren Draht zu ihm hatten, aber er war für mich immer wie ein Vater. Ich habe nie einen anderen Erzbischof bewusst erlebt. Und zu dem Vater gehört, dass man sich reibt, manchmal versucht man auch, sich zu emanzipieren, aber auch wieder auf den väterlichen Rat zu hören und auf die große Erfahrung, die große Weisheit und auch den tiefen, tiefen Glauben. Das hat mich immer wieder geprägt und bis heute fasziniert.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.