"Wir gedenken einer europäischen Sternstunde des erwachten individuellen Gewissens", sagte der Bundespräsident am Freitag in einer Videoansprache beim digitalen Festakt zur Eröffnung des Luther-Jubiläums "500 Jahre Wormser Reichstag" laut Redemanuskript.
Der Augustinermönch und Theologieprofessor Martin Luther (1483-1546) trat vor 500 Jahren - am 17. und 18. April 1521 - vor dem Wormser Reichstag im Angesicht des Kaisers Karl V. auf und weigerte sich, seine Kirchenkritik zu widerrufen. Luther verteidigte seine Theologie gegen den Vorwurf der Ketzerei.
Weltgeschichtlicher Augenblick
Steinmeier sprach von einem weltgeschichtlichen Augenblick. Luthers Beharren darauf, "durch Argumente zu überzeugen oder überzeugt zu werden", habe "die geistige, die religiöse und schließlich auch die politische Welt zutiefst verändert". Mit seinem Auftritt habe der Reformator den Keim für die Überzeugung gelegt: "Nicht Autorität, weder Kaiser noch Papst, nicht Tradition allein, wie heilig und lang sie auch sei, dürfen das religiöse und schließlich auch das gesellschaftliche Leben bestimmen", so Steinmeier.
Leben und Freiheit opfern
Der Bundespräsident fügte hinzu: "Es gibt eine Stunde des Gewissens, in der ein Mensch ganz allein mit sich selbst ist, in der es ganz allein auf seinen Mut, auf seinen Willen und seine Standfestigkeit ankommt." Luther habe eine solche Stunde des Gewissens bestanden, "weil er bereit war, dafür auch Freiheit und Leben aufs Spiel zu setzen".
Würdigung Küngs
Wenn sich heute Katholiken und Protestanten gemeinsam an die Ursprünge der Reformation erinnerten, dann verdanke man das auch "überzeugten Vorkämpfern für die Ökumene" wie dem kürzlich verstorbenen Theologen Hans Küng. "Ihm und allen ähnlich Engagierten sollten wir dankbar sein", so der Bundespräsident. Küng wurde am Freitag in Tübingen beerdigt. Er war am 6. April im Alter von 93 Jahren in seinem Haus in Tübingen gestorben.