Schlicht und leise, in kleinem Rahmen und ohne Prominenz: So will die Stadt Haltern am See den ersten Jahrestag des Germanwings-Absturzes am Donnerstag (24. März) begehen. Vor einem Jahr brachte der Flugzeugabsturz mit 150 Toten die westfälische Kleinstadt mit 37.000 Einwohnern unvermittelt in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Denn unter den Opfern waren auch 16 Schülerinnen und Schüler und zwei Lehrerinnen des Halterner Joseph-König-Gymnasiums, die auf dem Rückweg von einem Schüleraustausch bei Barcelona nach Düsseldorf waren.
Schweigeminute und ökumenischer Gottesdienst
Am Jahrestag des Unglücks ist in Haltern um 10.41 Uhr eine Schweigeminute vor der Sixtus-Kirche geplant - genau zu dem Zeitpunkt, an dem das Flugzeug in den französischen Alpen zerschellte. Im Anschluss findet ein ökumenischer Gottesdienst statt. Die meisten Angehörigen werden allerdings nicht in Haltern sein, sondern an einer Gedenkfeier nahe des Absturzorts in Frankreich teilnehmen.
Der 27-jährige Co-Pilot ließ den Airbus A320 der Lufthansa-Tochter Germanwings nach dem Abschlussbericht der französischen Luftfahrt-Untersuchungsbehörde BEA bewusst abstürzen, alle Insassen starben dabei. Er litt offenbar an Depressionen. Unmittelbar nach dem sogenannten erweiterten Selbstmord des Co-Piloten verschärften die deutschen Fluggesellschaften in Abstimmung mit dem Bundesverkehrsministerium und dem Luftfahrt-Bundesamt die Regeln: Kein Besatzungsmitglied darf sich seitdem mehr alleine im Cockpit aufhalten.
Frage nach dem "Warum"
Doch noch immer steht die Frage im Raum, warum der Mann trotz seiner psychischen Erkrankung und obwohl er für den Tag des Unglücks krankgeschrieben war, im Cockpit saß. Noch immer wird über psychologische Untersuchungen von Piloten und eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht diskutiert. "Es soll eine Anpassung der gesetzlichen Regelungen zur Verbesserung der behördlichen Überwachung der medizinischen Tauglichkeit des Luftfahrtpersonals in Deutschland erfolgen", erklärte das Luftfahrt-Bundesamt.
Noch offen ist auch die Frage der Entschädigungshöhe für die Hinterbliebenen. Die Anwälte eines Teils der Angehörigen wollen eine Flugschule in den USA verklagen, an der der Co-Pilot ausgebildet wurde. Halterns Bürgermeister Bodo Klimpel hofft anlässlich des ersten Jahrestages vor allem, dass die Freunde und Familien "für sich einen Weg finden, der das alles erträglicher werden lässt".
Die Hinterbliebenen in Haltern sehen sich aber nur als einen kleinen Teil der großen internationalen Trauer-Familie. Viele von ihnen distanzieren sich deshalb von zu viel Öffentlichkeit. Die meisten seien der Ansicht, dass die Medien nicht gut daran tun, "immer nur nach Haltern zu sehen und sie so aus der Gemeinschaft der Trauernden herauszulösen", berichtet der rheinische Landespfarrer für Notfallseelsorge, Uwe Rieske. Schließlich seien am 24. März 2015 nicht nur 18 Menschen aus Haltern, sondern insgesamt 150 Menschen aus 17 Nationen ums Leben gekommen.
Orte des Gedenkens
An vielen Orten in Haltern gibt es sichtbare Spuren des bleibenden Verlusts: Die Erinnerungstafel auf dem Schulhof des Gymnasiums, der stille Raum im Schulgebäude, die Gedenkstätte auf dem Waldfriedhof, die mit Bäumen und großem Steinpult den Eindruck eines Klassenzimmers erweckt. Am Vorabend des Jahrestags soll auch im Düsseldorfer Flughafen eine Tafel zur Erinnerung an die Opfer enthüllt werden.
Ein Jahr nach dem Unglück ist die Trauer in Haltern zwar noch deutlich präsent, es ist aber auch wieder Normalität eingekehrt. Erst in dieser Woche sind Schüler des Joseph-König-Gymnasiums von einem Besuch der spanischen Partnerschule bei Barcelona zurückgekehrt. Seit dem Absturz haben sich die Kontakte verstärkt. Die Jugendlichen flogen wieder mit Germanwings, was Unternehmenssprecher Heinz-Joachim Schöttes als Vertrauensbeweis bezeichnete. Allerdings landete die Schülergruppe diesmal am Flughafen Köln/Bonn, um schlechte Erinnerungen an den Unglücksflug zu vermeiden. Im Juni werden dann 23 spanische Schülerinnen und Schüler ihren Gegenbesuch in Haltern machen.