Der pfälzische evangelische Kirchenpräsident Christian Schad und der Speyerer katholische Bischof Karl-Heinz Wiesemann haben anlässlich des 500. Reformationsjubiläums 2017 die Christen dazu aufgerufen, das ökumenische Miteinander stets neu zu bezeugen.
"Unsere Identität als Christen ist weit mehr als bloß eine abstrakte Idee. Sie muss sich zeigen und bewähren", sagte Bischof Wiesemann am Sonntag laut vorab veröffentlichtem Redemanuskript in einem ökumenischen Buß- und Versöhnungsgottesdienst in der Abteikirche Otterberg im Landkreis Kaiserslautern. Die Bereitschaft, sich zu versöhnen, müsse die Grundhaltung jedes Christen sein.
Keine Identität durch Abgrenzung
Die Zeiten, in denen sich Protestanten und Katholiken "gegenseitig der Gewissheit der Hölle versicherten, statt der gemeinsamen Suche des Himmels", seien vorbei, sagte Kirchenpräsident Schad. Das Reformationsjahr diene nicht dazu, Identität durch Abgrenzung zu gewinnen. "Wir feiern nicht uns, sondern Jesus Christus allein", betonte Schad.
In einer Dialogpredigt schilderten der Kirchenpräsident und der Bischof persönliche Erfahrungen geglückter und misslungener christlicher Gemeinschaft. Die Abteikirche Otterberg gilt als Symbol für ein gelebtes ökumenisches Miteinander in der Pfalz. Seit 25 Jahren wird sie als Simultankirche von beiden Konfessionen gemeinsam genutzt.
Die Vergangenheit nicht vergessen
"Wir verschließen die Augen nicht vor dem, weswegen wir in der Vergangenheit aneinander schuldig geworden sind und es bis heute werden", sagte Bischof Wiesemann. Die Bereitschaft, sich mit den Mitmenschen auszusöhnen, sei eine Lebensaufgabe.
Das bewusste Aufarbeiten negativer Erfahrungen und das vergebende Wort seien heilsam, "weil sie helfen zu überwinden, was unserer sichtbaren Einheit noch im Wege steht", sagte der Bischof.
"Sichtbares Zeichen der Buße" in Biberach
Die württembergischen Bischöfe Gebhard Fürst und Frank Otfried July haben am Sonntag in der Biberacher Martinskirche einen ökumenischen Versöhnungsgottesdienst als "sichtbares Zeichen der Buße" gefeiert.
"Nach 500 Jahren sprechen wir vor Gott aus, was wir als evangelische und katholische Christen einander angetan haben", so die beiden Bischöfe. Die Martinskirche ist nach ihren Angaben das am längsten - seit 1548 - von Protestanten und Katholiken gemeinsam genutzte Gotteshaus Deutschlands.
Eine neue Bewegung?
Als sichtbares Zeichen der Buße knieten der katholische Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, und der evangelische württembergische Landesbischof, Frank Otfried July, gemeinsam vor dem Altar. Anschließend erklärten sie 2017 zum "Aufbruchsjahr für eine neue ökumenische Verständigung". Aus dem Nebeneinander der Kirchen sei ein Miteinander geworden, erklärte July. Die Kirchen in Deutschland könnten zum Motor einer neuen Bewegung werden, die noch mehr Gemeinsames entdecke, auch wenn an vielen theologischen Fragen noch weitergearbeitet werden müsse:
"Wenn wir heute unsere Schuld bekennen, um Vergebung bitten, können wir die Lasten und Enttäuschungen der Vergangenheit ablegen und aufbrechen, weil wir manches nicht mehr mitschleppen müssen."
Unterstützung für konfessionsverbindende Ehen
Fürst betonte in seiner Predigt, Christen könnten einander ergänzen und bereichern. Es gebe aber auch Potenzial für Streit, Intoleranz, Abgrenzung und Trennung. Die beiden großen Kirchen würden in diesen Tagen gemeinsam daran erinnern und Schuld gemeinsam feierlich bekennen.
In einer Selbstverpflichtung versprachen beide Bischöfe, gemeinsam "Zeugnis von Gott abzulegen" sowie "gemeinsam zu handeln und einander aktiv zu unterstützen", wo immer es möglich sei. Ebenso, den "konfessionsverbindenden Ehen alle Hilfestellung zu leisten" und die "ökumenische Grundhaltung in den konfessionsverbindenden Ehen in unseren Kirchen fruchtbar werden zu lassen."
Bischof Hein: Zukunft der Kirchen ist ökumenisch
Der Weg der Kirchen in die Zukunft wird nach den Worten des kurhessischen Bischofs Martin Hein ein ökumenischer sein. Das künftige Verhältnis der verschiedenen Konfessionen müsse unter dem Motto "Sola caritate - allein in der Liebe" stehen, sagte der evangelische Bischof am Sonntagabend laut Predigttext in einem ökumenischen Gottesdienst zum 500. Reformationsjubiläum in der Stadtkirche Bad Wildungen. Zu dem Gottesdienst hatten die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck und das Erzbistum Paderborn gemeinsam eingeladen.
Hein erinnerte daran, dass die vergangenen 500 Jahre oft von Glaubenseifer, Glaubenshass, Verfolgung und religiös motivierten Kriegen geprägt gewesen seien. "Die Liebe, so müssen wir bekennen, hat uns in den vergangenen 500 Jahren am allermeisten gefehlt", sagte der Kasseler Bischof. "Das Reformationsjubiläum hat dann für unsere Kirchen sein Ziel erreicht, wenn wir uns vom Geist der Liebe Gottes erfassen lassen", betonte Hein.
Auf das Gemeinsame besinnen
Erzbischof Hans-Josef Becker vom Erzbistum Paderborn rief alle Kirchengemeinden dazu auf, einen Schlussstrich unter die Verletzungen der Vergangenheit zu ziehen und die ökumenische Zusammenarbeit zu stärken. "Nur gemeinsam werden wir in der multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft das Evangelium glaubwürdig verkünden und leben können", sagte der Erzbischof.
Zuvor hatten bereits die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die katholische Deutsche Bischofskonferenz in einem zentralen Buß- und Versöhnungsgottesdienst am Samstag in Hildesheim ein Zeichen der Versöhnung gesetzt und die Gemeinsamkeiten der beiden Konfessionen unterstrichen. Protestanten und Katholiken setzten damit ihre Aussöhnung zum 500. Reformationsjubiläum fort.
Gelsenkirchener OB würdigt Bedeutung der Reformation für Demokratie
Der Gelsenkirchener Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) hat am Sonntag in der evangelischen Paul-Gerhardt-Kirche in Gelsenkirchen die Reformation als wichtigen Beitrag zur Demokratie gewürdigt. Luthers Übersetzung sei nichts anderes gewesen "als ein erster, ein gewaltiger Schritt nicht nur auf dem Weg zur Demokratisierung des Glaubens, sondern - was noch viel wichtiger ist - zur Demokratisierung des Wissens".
"Wir alle spüren das: Es steht im Moment etwas auf dem Spiel", erklärte Baranowski. "Es gibt derzeit tatsächlich wieder viele - viel zu viele - die den Frieden der Religionen aufkündigen wollen. Menschen, denen ich beim besten Willen nicht abnehme, dass es ihnen dabei in irgendeiner Form um Religion geht." Die Kirche sei unverzichtbar als Institution, die sich "an entscheidender Stelle am interkulturellen Dialog" beteilige und Menschen zusammenführe.