CDU und CSU steuern im zuletzt eskalierten Streit über die Asylpolitik an diesem Montag auf eine Entscheidung zu. Die Führungsgremien beider Schwesterparteien beraten in Berlin und München über den unionsinternen Konflikt, der zum Sprengsatz für die große Koalition in Berlin werden könnte.
In München kommt der CSU-Vorstand zusammen. Es wird erwartet, dass er Parteichef und Bundesinnenminister Horst Seehofer grünes Licht für sein Vorhaben geben wird, künftig Asylbewerber an der Grenze abzuweisen, die bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden. Offen ist aber, ab welchem Zeitpunkt dies umgesetzt werden soll.
Merkel gegen nationalen Alleingang
In Berlin trifft sich zunächst das Präsidium und später der Bundesvorstand der CDU. Die Parteivorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel lehnt einen nationalen Alleingang in der Flüchtlingspolitik ab. Sie setzt darauf, eine Lösung unter dem Dach der Europäischen Union zu erreichen, und strebt bilaterale Abkommen mit Staaten wie Italien, Österreich oder Griechenland zur Zurückweisung von Flüchtlingen an.
Am Sonntagabend beriet sich Merkel bereits in einem engen CDU-Führungszirkel über das weitere Vorgehen. Ergebnisse des fast siebenstündigen Treffens wurden nicht bekannt.
"Wirksamer Schutz der EU-Außengrenzen"
Vor der geplanten Vorstellung seines "Masterplans Migration" beschreibt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die Lage als "ernst, aber bewältigbar". Der EU-Gipfel Ende Juni müsse zu Beschlüssen kommen, die "einen wirksamen Schutz der EU-Außengrenzen und eine faire Verteilung der Menschen mit Bleiberecht ebenso gewährleisten wie eine schnelle Rückführung der Menschen ohne Bleiberecht", schreibt er in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Montag).
Unterdessen nennt die "Augsburger Allgemeine" unter Berufung auf CSU-Kreise Details aus dem bislang weitgehend unbekannten "Masterplan". Demnach will Seehofer Geldzahlungen an Flüchtlinge einschränken und nahezu komplett auf Sachleistungen umstellen. Außerdem sehe das Konzept vor, den Zeitraum, in dem Asylbewerber nur einen Grundbedarf erstattet bekommen, bevor sie Leistungen auf dem Niveau der Sozialhilfe erhalten, von 15 auf 36 Monate zu verlängern.
"Ohne Verfahren geht gar nichts"
Die Professorin für Völkerrecht Nora Markand erklärte, juristisch seien Zurückweisungen an der Grenze, wie sie Seehofer anstrebt, nicht möglich. "Ohne Verfahren geht gar nichts", sagte sie im ZDF-Morgenmagazin. Grenzschließungen und -kontrollen seien nach Schengener Recht in Gefahrenlagen möglich, doch eine solche Lage sei derzeit nicht erkennbar. Seehofer solle sich «an das geltende Recht halten und nicht an das gefühlte Recht», mahnte die Expertin.
Die Grünen stellten den Plänen des Bundesinnenministers einen eigenen "Masterplan" entgegen. Es brauche "menschenrechtsbasierte Kontrollen, Registrierung und Aufnahme an den EU-Außengrenzen", sagte die Parteivorsitzende Annalena Baerbock der "Berliner Zeitung". Auch seien breite Kontingente für Schutzbedürftige aus Krisenherden sinnvoll. "Das alles lässt sich nicht einstimmig in Europa regeln. Deshalb müssen jene vorangehen, die auf Grundlage dieser Werte handeln", forderte die Politikerin.
EU-Sondertreffen kommende Woche
Nach Informationen der "Welt" ist für das kommende Wochenende ein Sondertreffen mehrerer EU-Staaten geplant. Dabei werde es um eine Erweiterung der Aufgaben der EU-Grenzschutzbehörde Frontex gehen, um eine stärkere Zusammenarbeit mit Drittstaaten wie Tunesien sowie den Grenzschutz im Schengen-Raum, so die Zeitung unter Berufung auf "hohe informierte EU-Diplomaten".
Kirchenvertreter zeigten sich angesichts des Asylstreits besorgt. "Wenn Deutschland jetzt auf den Kurs von Orban, Kaczynski und neuerdings auch Salvini einschwenkt, dann kippt etwas in Europa", schreibt Jesuitenpater Klaus Mertes auf katholisch.de. Sinn für Solidarität und Sinn für legitime Eigeninteressen müssten keine Gegensätze sein, betonte Mertes, der 2010 die Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg öffentlich gemacht hatte.