Zahlreiche Politiker und die Hilfsorganisation Pro Asyl äußern sich kritisch zu den Differenzen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in Fragen des Asylrechts. Die für Dienstag vorgesehene Vorstellung von Seehofers "Masterplan Migration" wurde verschoben, weil einige Punkte noch abgestimmt werden müssen.
Laut einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland will Seehofer dabei hart bleiben. Er sei nicht bereit, "einen halben Plan mit faulen Kompromissen zu veröffentlichen", habe er am Montagabend in einer Sitzung der CSU-Landesgruppe gesagt. Merkel teile alle Punkte seines Masterplans bis auf die Pläne zum Zurückweisen von Flüchtlingen an der Grenze.
Nation oder Europa?
Seehofer will dies ermöglichen, wenn Migranten keinerlei Papiere vorweisen können, bereits in anderen, sicheren Drittstaaten Asyl beantragt haben oder rechtskräftig aus Deutschland ausgewiesen worden sind. Merkel hatte dagegen bekräftigt, dass es darum gehe, "europäisches Recht anzuwenden", statt "einseitig national zu agieren". Sie wolle, dass "EU-Recht Vorrang hat vor nationalem Recht".
SPD-Vize Ralf Stegner kündigte in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Dienstag) ein eigenes Asylkonzept seiner Partei an. Ergänzend formulierte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) Bedingungen, die seine Partei in jedem Fall gewahrt sehen wolle. "Wir müssen sicherstellen, dass diejenigen, die Schutz vor Verfolgung suchen, in diesem Land auch Schutz finden können. Und wir müssen sicherstellen, dass das europäische System des Schutzes der Außengrenzen funktioniert." Zudem wolle die SPD das System der Freizügigkeit innerhalb der EU bewahren. Damit wäre die SPD in dieser Frage näher bei Merkel als bei Seehofer.
Frist zur Lösung des Streits
In der "Rheinischen Post" (Dienstag) plädierte CDU-Innenexperte Armin Schuster dafür, Merkel eine Frist zur Lösung des Asylstreits mit Seehofer einzuräumen. Die Bundesregierung solle die Chance haben, auf dem Europäischen Rat Ende Juni "noch ein positives Ergebnis für eine gemeinsame europäische Asylpolitik zu erzielen, das Deutschland spürbar entlastet und den Südländern hilft". Gelinge das nicht, müsse es auch zu Zurückweisungen kommen: "Deutschland kann nicht auf Dauer so viele Asylbewerber aufnehmen wie alle anderen EU-Länder zusammen."
Für die Grünen sagte Migrationsexpertin Filiz Polat, anstelle eines "sich rechts anbiedernden Populismus" solle Seehofer "klare Kante gegen Rassismus und Ausgrenzung" zeigen und sich mehr um Integration kümmern als um Abschiebung.
Pro Asyl: Wie versteht sich die EU zukünftig?
Sevim Dagdelen von den Linken sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, es gehe der Koalition "offenbar nur noch darum, Abschreckung von Flüchtlingen durch Sammellager zu intensivieren", statt eine humane Flüchtlingspolitik und eine solide Integrationspolitik miteinander zu verbinden.
Aus Sicht der Hilfsorganisation Pro Asyl geht es um die fundamentale Frage, "ob sich die EU in Zukunft zum rechtsfreien Raum entwickelt oder sich als Werte- und Rechtsgemeinschaft versteht". Deutschland entledige sich der Flüchtlinge auf Kosten von Italien und Griechenland, so Geschäftsführer Günter Burkhardt: "Deutschland first auf Kosten der Grenzstaaten scheint der Leitgedanke zu sein."