Stimmungseinblick in eine Kirchengemeinde an der Cote d'Azur

Frankreich vor den Wahlen

Im Süden Frankreichs prallen die politischen Ansichten aufeinander. In der Kirchenbank sitzen Anhänger des Front National neben Konservativen. Dem Republikaner Fillon verzeihen viele seine krummen Touren.

Autor/in:
Franziska Broich
 (DR)

Unter strahlend blauem Himmel legen zwei Frauen große Säcke mit Olivenzweigen auf einen Stein. Langsam versammeln sich die Gemeindemitglieder auf dem kleinen Platz vor der Kapelle "Saint Roch" in Cogolin am Golf von Saint Tropez. Die Sonne scheint an diesem Palmsonntag, es weht eine leichte Brise vom sechs Kilometer entfernten Meer. Manche Gemeindemitglieder haben Taschen mit Palmzweigen dabei. Sie begrüßen sich, quatschen ein bisschen. In Cogolin kennt man sich.

13.000 Menschen wohnen in der Gemeinde. Der Bürgermeister Marc Etienne Lansade gehört dem Front National an. Im Dezember 2015 wurde er bei den Regionalwahlen mit 57,04 Prozent gewählt. Er ist bei der Palmsonntagsprozession durch das Dorf nicht dabei, aber er komme oft in die Messe, erzählt der Priester Philippe N'Zebo später. Der 46-Jährige, der an der Elfenbeinküste geboren ist, leitet die Gemeinde seit vier Jahren.

Respekt, Frieden und der Stolz

Als er an diesem Sonntag auf dem Platz vor der Kapelle "Saint Roch" eintrifft, haben sich etwa 50 Rentner, Erwachsene, Jugendliche und Kinder versammelt. Gelassen erklärt N'Zebo den Ablauf der Prozession. Die Polizei sperrt die kleine Gasse ab. Jean-Jacque Gentil (73) folgt der Prozession mit seiner Frau. Jetzt vor den Wahlen hat er einiges zu tun. Ehrenamtlich engagiert sich Gentil in der Organisation "Le Souvenir Francais".

"In den Schulen rede ich mit den Schülern über unsere Werte - christliche Werte", sagt er. Der wichtigste sei die Dankbarkeit, erklärt er. Aber auch Respekt, Frieden und der Stolz Franzose zu sein, zählten. Für ihn verkörpert der Kandidat der Republikaner, Francois Fillon (63), diese Werte. Auch wenn in den vergangenen Wochen bekannt geworden sei, dass er seine Frau beschäftigte und ein Gehalt zahlte, obwohl sie nicht für ihn arbeitete.

Um Politik geht es nicht während der Messe

Angekommen in der Kirche segnet N'Zebo die Olivenzweige. Um Politik geht es nicht während der Messe. Erst am Ende kommt N'Zebo kurz auf die Wahlen zu sprechen. Der Bischof von Frejus-Toulon, Dominique Rey, habe einen Brief zu den Wahlen verfasst, der am Ausgang ausliege. "Betet, betet, betet und trefft eine freie und gewissenhafte Wahl", entlässt er die Gemeindemitglieder.

Am 23. April sind in Frankreich Wahlen. Die Bürger sind aufgerufen, einen neuen Staatspräsidenten zu wählen. Bei den Katholiken stand Fillon am Anfang hoch im Kurs, doch nach dem Skandal verlor er in den Umfragen. N'Zebo glaubt trotzdem, dass viele Gläubige für Fillon stimmen werden.

"Politik der Beschwichtigung"

Doch dem Priester ist Neutralität in seiner Position wichtig. "In der Kirche soll es nicht um Politik gehen", sagt er. Höchstens eine "Politik der Beschwichtigung", die die Menschen verbinde. Er hat keine leichte Aufgabe in Cogolin. Neben dem Bürgermeister vom Front National kommen auch Anhänger anderer Parteien in die Messe.

N'Zebo ist für den Dialog. Nach den Anschlägen in Nizza öffnete er das Gebet auch für die muslimischen Bewohner Cogolins. Doch bis auf Kontakte zu einzelnen Muslimen sei bisher nicht viel zusammen entstanden, sagt er. N'Zebo setzt auf den Glauben als verbindendes Element - trotz verschiedener politischer Ansichten.

"Es gibt keinen guten Kandidaten"

Vor der Kirche unterhalten sich noch einige Gemeindemitglieder nach der Messe. Monique Senequier (68) erzählt, dass sie noch unentschieden sei. "Es gab keine richtige Kampagne, alles wurde von den Skandalen überschattet", bedauert sie. Senequier wolle sich von den Worten des Bischofs inspirieren lassen. Verwaerde Michel (65) findet es schwierig in diesem Jahr. "Es gibt keinen guten Kandidaten", so Michel. Fillon habe Fehler gemacht, aber das könne nicht ausschlaggebend sein. Denn alle Kandidaten hätten wahrscheinlich Fehler gemacht. Sie seien auch nur "Menschen", meint Michel. Eine andere Gruppe zuckt nur die Schultern. "Es ist kompliziert", sagt eine Frau. Es habe viele Gerüchte um die Kandidaten gegeben.

Der in Cogolin geborene Maler Stephan Benguesmia (48) ist so etwas wie die gute Seele der Gemeinde. Am Palmsonntag hilft er bei der Organisation der Prozession. "Jeder hat die Skandale um Fillon anders wahrgenommen", sagt er. Ausschlaggebend für seine Wahl seien die christlichen Werte. Dann macht er sich auf den Weg. Er bringt nun die gesegneten Palmzweige zu älteren und kranken Menschen.


Quelle:
KNA