Eigentlich sollte das Gesetz schon vor der Sommerpause beschlossen werden. Doch jetzt ist fraglich, ob die umstrittene Reform der Pflegeausbildung überhaupt noch vor den Bundestagswahlen im kommenden Herbst verabschiedet werden kann. Gegen die Pläne von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), der eine Zusammenlegung der Ausbildungen in Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege vorsieht, gibt es massiven Widerstand in der eigenen Fraktion.
Bei einem Treffen sollten in der kommenden Woche die Mitglieder der Unionsfraktion zu einer gemeinsamen Linie finden. Das Treffen wurde abgesagt, da die Aussichten auf Einigung zu gering seien. Wie die "Stuttgarter Nachrichten" und die "Stuttgarter Zeitung" am Freitag berichteten, ist ein Vermittlungsgespräch mit Gröhe, an dem auch Fraktionschef Volker Kauder (CDU) teilgenommen hatte, gescheitert. Dabei habe der Minister einen Kompromiss abgelehnt, der eine zweijährige allgemeine Ausbildung vorsah, an die sich dann ein weiteres Jahr spezialisierte Schulung anschließen würde.
Einigung im November?
"Die Situation ist derzeit vollkommen unübersichtlich", sagte der pflegepolitische Sprecher der Unionsfraktion, Erwin Rüddel (CDU), den Zeitungen. Die Situation sei "ziemlich festgefahren", erfuhr die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) auch aus Regierungskreisen.
"Das Zeitfenster wird immer kleiner", bestätigte CDU-Gesundheitsexperte Michael Hennrich den beiden Zeitungen. "Im November muss es eine Lösung geben, sonst gibt es keine Chance mehr."
Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Staatssekretär Karl-Josef Laumann (CDU), machte für die Widerstände auch "Interessengruppen von außen" verantwortlich, die "die Altenpflege möglichst klein halten wollen" und die alles täten, um Tarifverträge in der Altenpflege zu verhindern.
Neue Pflegeausbildung ab 2018
Die neue Pflegeausbildung soll nach den Vorstellungen Gröhes drei Jahre dauern und 2018 beginnen. Die künftigen "Pflegefachfrauen" und "Pflegefachmänner" sollen angemessen entlohnt werden; das bisher teilweise noch zu zahlende Schulgeld soll entfallen. Ergänzend vorgesehen ist eine dreijährige Pflegeausbildung an Hochschulen.
Schon heute herrscht ein Mangel an Pflegekräften: Bis 2030 wird die Zahl der Pflegebedürftigen um die Hälfte auf knapp 3,5 Millionen Menschen steigen, 2050 werden es bereits 4,5 Millionen sein. Schon heute fehlt qualifiziertes Personal in Krankenhäusern und Heimen. Allein in der Altenpflege wird der Mangel auf rund 30.000 geschätzt. Auch in der Krankenpflege wird Personal gesucht, der Mangel ist aber nicht ganz so groß. Im Schuljahr 2013/2014 absolvierten insgesamt 133.000 Auszubildende eine der drei derzeitigen Pflegeausbildungen, 62.000 davon in der Altenpflege und 6.000 in der Kinderkrankenpflege.
Kritik kommt von privaten Anbietern und Kinder- und Jugendärzte
Befürworter erhoffen sich von der Zusammenlegung der Ausbildungen, dass die Pflegeberufe attraktiver und Berufswechsel innerhalb der Branche erleichtert werden. Zudem verweisen sie darauf, dass sich die Aufgabengebiete immer stärker überlappen: Pflegekräfte im Krankenhaus müssen häufiger mit Demenzkranken umgehen, ihre Kollegen in Altenheimen brauchen verstärkt krankenpflegerische Kompetenzen.
Laumann nennt daneben auch einen politischen Grund: Er verspricht sich von einem gemeinsamen Berufsbild, dass die Pflegeberufe eine stärkere Stimme im Gesundheitssystem erhalten. Kritiker befürchten demgegenüber eine Verflachung der Inhalte in einer generalistischen Ausbildung. So erklärt etwa das Bündnis für Altenpflege: "Das geplante Gesetz führt zur Gefährdung der Versorgungsqualität." Auch der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) warnt, eine generalistische Ausbildung führe "zwangsläufig zu verflachtem Wissen". Er befürchtet, dass junge Leute nur noch in die vermeintlich attraktivere und teilweise besser bezahlte Krankenpflege wechseln.
Auch die Kinder- und Jugendärzte schlagen Alarm. "Die Pflege kranker Kinder wird sehr darunter leiden." Die hohe Spezialisierung sei notwendig, um zum Beispiel Frühchen fachgerecht versorgen zu können.