Streit um Pflanzenschutzmittel

Gift für´s Feld?

Wie gefährlich ist Glyphosat? Der Streit über die weitere Zulassung des Pflanzenschutzmittels spaltet auch die große Koalition. "Brot für die Welt" meint ganz klar: Glyphosat muss weg.

Autor/in:
Das Interview führte Tommy Millhome
Landwirt versprüht Glyphosat / © Patrick Pleul (dpa)
Landwirt versprüht Glyphosat / © Patrick Pleul ( dpa )

domradio.de: Eigentlich hatten SPD und Union sich darauf geeinigt, in Brüssel für die Verlängerung der Glyphosat-Zulassung zu stimmen, jetzt wollen Bundesumweltministerin Hendricks und Bundeswirtschaftsminister Gabriel von der SPD diesen Kurs nicht mehr mittragen. Was hat das für konkrete Folgen für die EU-Entscheidung?

Stig Tanzmann (Agrarexperte beim evangelischen Hilfswerk "Brot für die Welt"): Das wird große Auswirkungen auf die EU haben, weil Deutschland sich dann in der Abstimmung enthalten muss und mit keiner klaren Position dorthin geht. Das ist natürlich ein sehr starkes Zeichen für viele andere Länder, die der Sache auch skeptisch gegenüberstehen. Die Reihe der Befürworter ist dadurch natürlich stark geschwächt.

domradio.de: Wie bewerten Sie die Gefährdung, die von Glyphosat ausgeht?

Tanzmann: Wir lehnen eine Verlängerung der Zulassung weiter ab. Glyphosat steht nicht nur für Krebsgefahr, sondern auch für eine weltweit verfehlte Agrarpolitik, die starke Auswirkungen auf das Leben von Menschen - gerade von Menschen im landwirtschaftlichen und ländlichen Bereich - hat. Natürlich hat sie auch große Auswirkungen auf die Biodiversität.

domradio.de: Was heißt "weltweit verfehlte Agrarpolitik"?

Tanzmann: Glyphosat steht als Totalherbizit für eine starke Ausrichtung an Monokulturen, einer sehr reduktionistischen Landwirtschaftsidee, wo man sagt, man will nur noch eine Feldfrucht auf dem Acker, einen sehr reinen, monokulturellen Acker. Da geht dann Vielfalt und Schöpfung verloren, weil sie weggespritzt wird. Ganz dramatisch ist das im Zusammenhang mit gentechnisch veränderten Organismen wie zum Beispiel Soja in Südamerika, wo dann auch, wenn Soja schon auf dem Feld ist, weiter Glyphosat gespritzt wird - auch in Verbindung mit anderen Stoffen, um den Acker nur mit Soja bestellt zu haben. Hier in Europa wird Glyphosat hauptsächlich zur Ackerbereinigung vor der Bestellung oder zu pfluglosen Bodenbearbeitung eingesetzt.

domradio.de: Was müsste man aus diesen Erfahrungen in Südamerika denn lernen?

Tanzmann: Man sollte sehen, dass es weltweit enorme Probleme in diesem Bereich gibt. In Südamerika sind die Erfahrungen noch negativer als hier. Aber wir sehen auch, dass die Entscheidung der International Agency Research on Cancer, also die IARC, deren Einschätzung es ist, das Glyphosat wahrscheinlich krebserregend ist, gar nicht in Frage gestellt worden ist. Das Ergebnis des Zusammentreffens von FAO und WHO bezieht sich auf die Aufnahme von Glyphosat über Lebensmittel. Das andere Gremium hat einen viel weiteren Ansatz in der Betrachtung gewählt, wo die Gefahren durch Glyphosat liegen, wenn etwa Menschen oder Tiere überhaupt der Anwendung ausgesetzt sind. Das ist etwas ganz anderes, als wenn man nur bemisst, ob es aus Lebensmitteln kommt oder nicht.


Quelle:
DR