Studie zu geistlichem Missbrauch vorgestellt

"Übergriff im frommen Gewand"

Geistlicher Missbrauch geschieht einer Studie zufolge nicht nur durch Kleriker und kann auch eine Vorstufe zu sexuellem Missbrauch sein. Anders als bei diesem sind unter den Tätern etwa gleich viele Männer wie auch Frauen.

Liturgische Gewänder in einer Sakristei / © Martin Jehnichen (KNA)
Liturgische Gewänder in einer Sakristei / © Martin Jehnichen ( KNA )

Das zeigt die Untersuchung der Kölner Sozialpädagogin und Lebensberaterin Stephanie Butenkemper. Unter dem Titel "Übergriff im frommen Gewand" referierte sie zu dem Thema auf Einladung des Bistums Osnabrück am Donnerstagabend in der Universität Osnabrück.

Staat muss Aufarbeitung von Missbrauch in Kirche übernehmen

Die SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag will bei der Missbrauchsaufarbeitung der Kirche den Staat stärker in die Pflicht nehmen. "Die Verantwortlichen in der Kirche haben es aus eigener Kraft nicht geschafft, die Missbrauchsfälle in ihren Reihen so aufzuklären, wie es aus Sicht der Opfer und der Öffentlichkeit angemessen gewesen wäre", heißt es in einem am Dienstag veröffentlichten Antrag, der der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt. "Deshalb muss der Staat im Sinne seines partnerschaftlichen Verhältnisses zur Kirche diese Verantwortung jetzt übernehmen."

Symbolbild Missbrauch / © Harald Oppitz (KNA)
Symbolbild Missbrauch / © Harald Oppitz ( KNA )

Geistlicher oder spiritueller Missbrauch könne, so Butenkemper, in jedem religiösen Kontext auftreten, in dem es ungleiche Machtstrukturen gebe. Ob in neuen geistlichen Gemeinschaften, Pfarrgemeinden, Familien, in geistlicher Begleitung, Jugendarbeit, Freikirchen, aber auch in klassischen Ordensgemeinschaften kann demnach religiöse Autorität benutzt werden, um im Namen Gottes Druck und Zwang auszuüben. Butenkemper selbst war, wie sie sagte, früher Mitglied einer Gemeinschaft und erlebte dort ebenfalls geistlichen Missbrauch.

Keine allgemeine Definition

Mit dem Phänomen hätten sich bereits mittelalterliche Ordensgründer auseinandersetzen müssen. In der aktuellen Debatte um Missbrauch in Kirchen gebe es noch keine allgemeine Definition für das "diffuse Problem", sagte Butenkemper.

Im Wesentlichen, so die Referentin, biete eine Gemeinschaft, in der später Missbrauch erfahren wird, einen Familienersatz. Die Anerkennung, oft mittels eines regelrechten "Love-Bombings", die Versorgung und die Begeisterung, die Menschen dort erfahren, gingen im missbräuchlichen Fall mit Gedankenumbildung und Bewusstseinskontrolle, Entmündigung und Isolation einher.

Allmähliches aufgeben der eigenen Identität

Langsames Eintauchen und Verstrickt-Werden in das Umfeld der Gemeinschaft führten zur allmählichen Aufgabe der eigenen Identität. Oftmals würden Außenkontakte abgebrochen, eine Parallelwelt entwickle sich. Viele bemerkten erst sehr spät, welchen Preis sie für die anfänglichen Vorteile zahlten. Dennoch erscheine ein Ausstieg und ein Leben ohne die Gemeinschaft oder geistliche Beziehung oft als unmöglich. "Dann droht das ganze Leben zusammenzubrechen", erklärte Butenkemper.

Ihre Gespräche mit acht Betroffenen aus verschiedenen Gemeinschaften sowie Erkenntnisse und Folgen für die Praxis will die Sozialpädagogin im April nächsten Jahres als Buch veröffentlichen. Der Titel lautet "Toxische Gemeinschaften. Geistlichen und emotionalen Missbrauch erkennen, verhindern und heilen".

Quelle:
KNA