DOMRADIO.DE: Klaus Krämer ist der neue Bischof von Rottenburg-Stuttgart. Krämer war bis 2019 Präsident von missio Aachen und des Kindermissionswerks "Die Sternsinger". Mehrere Namen wurden vor der Ernennung gehandelt. Haben Sie mit Klaus Krämer als neuem Bischof gerechnet?
Msgr. Dr. Christian Hermes (Stadtdekan von Stuttgart): Eine richtige Überraschung ist Klaus Krämer nicht. Er ist weltkirchlich unglaublich gut vernetzt, durch die Leitung der Hauptabteilung Weltkirche sowie durch die Arbeit bei missio und bei den Sternsingern. Er bringt auch viel Verwaltungserfahrung mit. Er hat außer Theologie auch Jura studiert und war ständiger Vertreter des Diözesanadministrators. Er ist also ein ganz erfahrener Kirchenmann und - das möchte ich auch sagen - wirklich ein ganz lieber Mitbruder und geschätzter Kollege. Und worüber natürlich die Stuttgarter jubeln: Es ist ein Stuttgarter!
Er ist also jemand, der diese Stadt kennt und der mit einer Großstadt umgehen kann; jemand, der mit den Fragen von heute umgehen kann, der die richtigen Worte findet und der im kulturellen Leben präsent ist. Ich bin super zufrieden und sehr glücklich mit der Wahl.
DOMRADIO.DE: Werden die Rottenburger denn auch jubeln oder gibt es eine Rivalität zwischen Rottenburg und Stuttgart?
Hermes: Nein, eine Rivalität gibt es nicht. Die Rottenburger jubeln auch schon und das können sie wirklich zu Recht. Klaus Krämer wohnt bisher schon in Rottenburg. Spaß bei Seite, Rottenburg und Stuttgart sind seit 1978 die beiden Pole innerhalb des Bistums. Wir haben diesen Ballungsraum Stuttgart mit all seiner Wirtschaftskraft und den vielen Kommunen der Region auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite haben wir den ganz großen ländlichen Raum. Denken Sie nur an das schwäbische Oberland, wo aus kirchlicher Sicht die Musik spielt, während hier in Stuttgart Fragen der Säkularisierung ganz anders durchschlagen.
Ein Bischof von Rottenburg-Stuttgart muss beides können. Er muss Stadt und säkulare Gesellschaft können. Und er muss an den großen Schatz von kirchlichen Traditionen anknüpfen, die wir in vielen Regionen haben.
DOMRADIO.DE: Sie sprachen über die Leitungserfahrung von Klaus Krämer bei den Hilfswerken, seine Vernetzung, sein Jurastudium. Welche Spiritualität bringt denn Klaus Krämer als Bischof mit?
Hermes: Klaus Krämer ist ein sehr nachdenklicher und rationaler Mensch. Ich glaube, man würde ihm nicht zu nahe treten, wenn man sagt, dass er kein Charismatiker ist und niemand, der zu Überschwänglichkeit oder zu aufbrausendem oder überschäumenden Enthusiasmus neigt.
Er ist eher ein bedächtiger, zuhörender Mensch. Er ist jemand, der sich beispielsweise in seiner wissenschaftlichen Arbeit intensiv mit Thomas von Aquin beschäftigt hat. Damit steht er für die Tradition eines reflektierten, klar vor der Vernunft verantworteten Glaubens. Es ist so wichtig im Diskurs heute, dass wir immer wieder deutlich machen, dass der christliche Glaube nicht irgendeine Ideologie ist, sondern dass es ein vernünftiger Glaube ist.
Der Glaube hat ganz viele Formen und wird auf ganz vielerlei Weise gelebt. Sei es in Afrika, in Asien oder eben anders als in Europa. Ich glaube, das hat der neue Bischof alles in sich aufgesogen. Wir sind einfach gespannt, was er selbst an Profil in dieser ganz neuen Rolle einbringen wird.
DOMRADIO.DE: Wir hatten am Anfang Dezember vergangenen Jahres gesprochen, als die Vakanz begann. Sie sagten, dass ein Jahr Vakanz viel zu lang sei. Jetzt haben wir weniger als ein Jahr. Sie hatten sich gewünscht, dass der neue Bischof die von Altbischof Fürst angestoßenen Reformprojekte fortsetzt, dass diese Linie fortläuft. Wird das mit Klaus Krämer gut gelingen?
Hermes: Das wird mit Klaus Krämer hervorragend gelingen. Da bin ich mir sicher. Klaus Krämer kann rechnen. Klaus Krämer kennt nicht nur die Verwaltung, sondern kennt auch die wirtschaftlichen Zusammenhänge. Rottenburg-Stuttgart ist noch eine wohlhabende Diözese, aber wir haben hier auch enorme Herausforderungen und es ist kein Geheimnis, dass viele schwierige Themen in der Vergangenheit liegen gelassen oder ignoriert wurden. Im Priesterrat und im Diözesanrat haben wir immer darauf gedrängt, dass wir wirtschaftlich konsolidieren müssen, alleine was die Personalsituation angeht. Wie überall bricht da vieles weg. Wir müssen Strukturthemen angehen. Wir haben immer noch 1030 Einzelpfarreien. Das muss angegangen werden und ich glaube, das werden wir mit Krämer tun. Er ist in diesen Prozessen, die angestoßen wurden, schon drin.
Ich glaube, er hat erstens den Sachverstand und zweitens auch die Entschlossenheit und die klare Kenntnis dafür, dass wir jetzt handeln müssen. Ich hatte die Befürchtung - das sage ich Ihnen ganz offen -, dass wenn jetzt jemand Bischof würde, der damit offensichtlich überfordert wäre oder der das Thema erst mal auf die Zeit in fünf Jahren verschiebt. Diese Zeit hat keiner von uns. Wir müssen jetzt Lösungen finden. Stuttgart war immer ein Motor für solche Entwicklungen, wurde in der Vergangenheit aber auch schwer ausgebremst. Ich glaube, jetzt können wir mit neuem Schwung gemeinsam eine Zukunft mit Klaus Krämer gestalten.
Das Interview führte Jan Hendrik Stens.