Suppenküche bietet mehr als nur warme Mahlzeiten an

Gegen den Hunger und die Einsamkeit

Mit Corona hat sich die Not von Menschen, die ohnehin schon wenig zum Leben haben, nochmals deutlich verschärft. Kostenloses Essen sorgt da für große Entlastung. Zum Beispiel in der Gladbacher Pfarrei St. Laurentius.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Die Mahlzeiten gibt es auch "to go" / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Mahlzeiten gibt es auch "to go" / © Beatrice Tomasetti ( DR )

"Ab dem 15. eines Monats sieht es auf meinem Konto immer schon mau aus. Hartz IV reicht eben nicht, wenn man auch noch Schulden abbezahlen muss." Dennis, der eigentlich anders heißt, schämt sich nicht zu erzählen, dass es gerade nicht rund läuft, wie er meint.

Eigentlich ist er gelernter Mechatroniker, zuletzt aber hat er viel auf dem Bau gearbeitet. Da ist er im Winter allerdings gerade nicht gefragt. Dabei ist er erst um die 40 und sieht so aus, als könne er gut mit anpacken. Seit fünf Jahren kommt er regelmäßig zum Essen in die Suppenküche von St. Laurentius. "Immer wenn ich gerade keine Arbeit habe", fügt er noch hinzu. Denn hier gebe es viermal in der Woche – montags, mittwochs, freitags und sonntags – um 12.30 Uhr eine warme Mittagsmahlzeit.

"Und das ist super", findet er. "Die Leute an der Ausgabe sind freundlich. Wer will, bekommt einen Nachschlag. Hier bin ich gerne." Auch weil er immer ein paar Kumpels treffe. "Man kennt sich, sind ja oft dieselben, die kommen." Trotzdem freue er sich vor allem über Abwechslung. Und man könne in Gesellschaft essen. "Ein bisschen quatschen tut gut, wenn man sonst viel alleine ist. Und nach gut einer halben Stunde geht dann wieder jeder seiner Wege."

Einer von denen, auf die Dennis zählen kann, weil sie sich jeden zweiten Tag in die Warteschlange vor dem Laurentiushaus direkt hinter der Innenstadtkirche von Bergisch Gladbach einreihen, ist Norbert. Auch er will seinen richtigen Namen nicht nennen, lobt aber überschwänglich dieses karitative Angebot der Kirche.

"Das ist Hammer – und schmeckt immer super lecker. Hut ab! Wenn die Suppenküche und ihre vielen netten Helfer nicht gewesen wären, als es mir mal ganz schön dreckig ging, hätte ich längst ne Spritze im Arm." So aber gelte: kein Alkohol, keine Drogen", sagt der 58-Jährige, der, wie er erzählt, auf die Rente wartet. In ein paar Monaten sei es soweit. Solange müsse er noch durchhalten, macht er sich selbst Mut. Schließlich habe er 37 Jahre lang eingezahlt und nicht immer so gelebt. Mit "so" meint er ein Leben ohne Sicherheiten und angewiesen auf fremde Hilfe.

"Erst kam die Scheidung, dann war die Wohnung weg und schließlich auch noch der Job. Plötzlich ging alles den Bach runter." Nach drei Jahren auf der Straße lebe er heute von Gelegenheitsarbeiten. In der kalten Jahreszeit aber fiel da vieles schon mal raus. Mit der Rente, wünscht er sich, schaffe er es dann hoffentlich auch ohne Notunterkunft und Suppenküche. "Aber wer weiß. Die von der Kirche werden mir fehlen."

Ingrid Witte: Nicht immer geht es um Hunger

Ingrid Witte, Gemeindereferentin an St. Laurentius und verantwortlich für die Pfarrcaritas, hat schon viele solcher Geschichten gehört. "Auch wenn hier niemand danach gefragt wird", wie sie beteuert. Schließlich sei die Suppenküche – eine Gemeindeinitiative, die seit 2012 besteht und ihre Öffnungszeiten nach und nach dem wachsenden Bedarf entsprechend aufgestockt hat – ein geschützter Ort.

Gemeindereferentin Ingrid Witte koordiniert die Suppenküche der Gemeinde St. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Gemeindereferentin Ingrid Witte koordiniert die Suppenküche der Gemeinde St. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

"Hier muss niemand seine Bedürftigkeit erklären. Wer kommt, ist willkommen und unser Gast. Wir stellen keine Fragen, niemand muss sich ausweisen." Wer allerdings im Warmen essen wolle, müsse seinen Impfstatus belegen. Wer das nicht könne, bekomme seine Portion und auch ein Glas warmen Tee durchs Fenster gereicht. "Regeln gibt es auch bei uns."

Seit Beginn der Pandemie hat die Suppenküche auch sonntags auf. "Da kommen besonders viele", beobachtet Witte. "Bis zu 80 Mahlzeiten teilen wir dann aus. Und zwei Euro Sonntagsgeld, um sich ein kleines Extra leisten zu können, gibt es auch." Als die Tafeln während des Lockdowns zugemacht hätten, habe sich mit einem Mal eine große Not gezeigt. Eine noch größere als sonst. Da sei die Essensausgabe erst recht zur Anlaufstelle für viele – gerade auch alte Menschen – geworden, die nicht für sich alleine kochen würden oder auch kaum über Mittel dafür verfügten. Es seien ja nicht ausschließlich Wohnungslose, die auf diese Speisung angewiesen wären.

"Auch geflüchtete Menschen oder Empfänger von Sozialleistungen wie Senioren, die nicht mehr als die Grundsicherung bekommen, nehmen unser Angebot wahr." Manche seien auch nur einsam und suchten Gesellschaft. "Nicht immer geht es um Hunger. Viel auch um das Bedürfnis, ab und zu andere Gesichter zu sehen und nicht völlig zu vereinsamen. Bei uns gibt es beides: eine warme Mahlzeit und ein warmes Wort", so die Religionspädagogin. Nur große Tischrunden – wie vor Corona – die gingen gerade nicht. Aus Gründen der Ansteckungsgefahr bekäme jeder Besucher einen Tisch für sich.

In der Mittagspause mal eben aushelfen

Und der wird eine halbe Stunde vorher von einem ehrenamtlichen Team eingedeckt. An diesem Vormittag sind es Marcus Pullen, Gerda Thul und Nesrin Kako, die den Laurentiussaal zu einer Mensa herrichten und das dampfende Essen aus den Wärmebehältern holen.

Das ehrenamtliche Helferteam Gerda Thul, Marcus Pullen und Nesrin Kako mit Gemeindereferentin Ingrid Witte / © Beatrice Tomasetti (DR)
Das ehrenamtliche Helferteam Gerda Thul, Marcus Pullen und Nesrin Kako mit Gemeindereferentin Ingrid Witte / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Doch hinter den dreien stehen sehr viel mehr Menschen, die für dieses kirchliche Engagement Zeit zur Verfügung stellen. "Weil das etwas sehr Konkretes ist und sie mit ihrem Dienst nah an den Menschen sind", argumentiert Witte. "Wer hier mitmacht, dem bedeutet das was. Hier ist Kirche – gerade in dieser nicht einfachen Zeit – auf sehr überzeugende Weise präsent." Zudem könne sie mit der Unterstützung Bedürftiger momentan noch am meisten punkten und verloren gegangenes Vertrauen wettmachen.

Ehrenamtler Marcus Pullen ist eigentlich Informatiker. Er nutzt zweimal pro Woche seine Mittagspause in einer Computerfirma, um mal eben rüberzukommen und regelmäßig in der Suppenküche mitzuhelfen.

In seiner Mittagspause deckt Informatiker Marcus Pullen die Tische in der Suppenküche / © Beatrice Tomasetti (DR)
In seiner Mittagspause deckt Informatiker Marcus Pullen die Tische in der Suppenküche / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Dieses Thema habe ihn sofort angesprochen und so habe er sich gleich zu Beginn der Pandemie im März 2020 gemeldet, als in der Gemeinde ganz viel Ehrenamt weggebrochen sei und jede Hand dringend gebraucht wurde. "Mir macht das Spaß. Die Menschen, die kommen, sind mir mittlerweile ans Herz gewachsen. Wir sind wie eine große Familie."

Suppenküche funktioniert auch "to go"

Nesrin Kako ist gebürtig aus Syrien und 2015 als Flüchtling nach Deutschland gekommen. "Ich weiß, wie es ist, wenn man kein Essen, keine Wohnung und keine Arbeit hat. 24 Tage war ich über die Türkei, Griechenland, Serbien und Ungarn auf der Flucht. Und weil ich so genau weiß, wie das ist, wenn es am Nötigsten fehlt, bin ich hier mit dabei", erklärt die 32-Jährige ihre Motivation. "Damit gebe ich etwas von der Hilfe, die ich damals erfahren habe, zurück an die, die sonst auf sich gestellt blieben."

"Dieses Projekt ist fest in der Gemeinde verankert, wo es eine große Akzeptanz hat, weil sich Haupt- und Ehrenamtliche gleichermaßen damit identifizieren und es ihnen wichtig ist, auch diese Seite von Kirche zu zeigen", schildert Gemeindereferentin Witte. Schließlich entspreche diese Form der Zuwendung dem Kernauftrag von Kirche. Finanziert wird die Suppenküche, die im Lockdown auch "to go" funktioniert hat, weitgehend durch Spenden – zum Beispiel durch gezielte Sammelaktionen mittwochs auf dem Markt.

Gerda Thul füllt warmen Tee in die Gläser / © Beatrice Tomasetti (DR)
Gerda Thul füllt warmen Tee in die Gläser / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Da höre man dann auch schon mal: Toll, dass Ihr das macht! "Jeder, dem dieser Ort gut tut, darf kommen. Daran sollte nichts schambesetzt sein. Im Gegenteil", betont Witte. "Jedem Gast versuchen wir so viel Wertschätzung wie möglich zu vermitteln."

Quelle:
DR