Ob Frauen ein Recht auf Weiheämter haben? Ob der Zölibat noch notwendig ist? Dürfen Priester heiraten? Und wie sieht es eigentlich aus mit den systemischen Ursachen von sexualisierter Gewalt? All das sind Themen, die die katholische Kirche in Deutschland seit einigen Jahren umtreibt.
Als Ausgangspunkt für diese Diskussionen gilt die MHG-Studie. Sie hat die systemischen Ursachen für sexualisierte Gewalt durch Priester benannt. Daraufhin haben Bischofskonferenz und Zentralrat der Katholiken den Synodalen Weg gestartet, um die systemischen Ursachen zu beseitigen. Im Synodalen Weg geht es um vier Themenbereiche: die katholische Sexualmoral, den Umgang mit Macht, die Stellung der Frau und die priesterliche Pflicht zur Ehelosigkeit, also das Zölibat.
Kritiker und Befürworter des Synodalen Wegs
Kritiker des Synodalen Weges befürchten, dass die Lehre und Tradition, die Dogmen und die Absichten Jesu nicht wahrheitsgetreu überliefert werden und die katholische Kirche in Deutschland einen Irrweg einschlägt. Befürworter sind der Meinung, dass es nicht die Absicht Jesu war, dass die katholische Kirche so viel Ungerechtigkeit zulässt. Dass die Kirche der Lebenswelt der Menschen nicht gerecht werde und sie sich dadurch selbst abschafft. Es handelt sich auch um zwei Lager, die sich durch die Gegenposition in ihren Gefühlen verletzt fühlen.
Ein Argument, mit dem der Synodale Weg sich immer wieder auseinandersetzen muss: Deutschland dürfe keinen Sonderweg einschlagen, die in Deutschland behandelten Themen seien nicht die Themen der Weltkirche.
Missio und DOMRADIO.DE laden zu Symposium
Um dieses Argument mit Blick auf die Weltkirche zu diskutieren, hatte das Internationale Missionswerk missio Aachen gemeinsam mit DOMRADIO.DE zu einer Veranstaltung eingeladen: "Der Synodale Weg im Spiegel der Weltkirche". Am 12. Januar diskutierten im Kölner Domforum Markus Demele, Generalsekretär von Kolping International, Catalina Cerda-Planas, Mitarbeiterin am Institut für Weltkirche und Mission (IWM), Nora Kalbarczyk, Generalsekretärin des Katholischen Akademischen Ausländer-Dienstes (KAAD) und Joseph-Marie Ndi-Okalla, Bischof von Mbalmayo in Kamerun wie die Weltkirche mit dem Synodalen Weg zusammenhängt. Rund 500 Interessierte schalteten sich im Stream von missio und DOMRADIO.DE zu.
Dabei waren die Positionen teils kontrovers, teils übereinkommend. Zu Beginn gaben Cerda-Planas und Kalbarczyk einen Einblick in eine gemeinsame Studie vom IWM und KAAD, die die Themen des Synodalen Weges aus weltkirchlicher Perspektive aufbereitet hat. 599 Personen von 5 Kontinenten und aus 67 Ländern nahmen an ihr teil.
Aus der Studie wurde ersichtlich, dass die Fragen des Synodalen Weges auch in Ortskirchen Lateinamerikas, Afrikas, Asiens, Nahosts und Osteuropas interessieren, lediglich die Gewichtung der verschiedenen Aspekte variiert. Lateinamerikanische Geistliche interessieren sich ebenso für die Frage des Pflichtzölibats, wie das hier der Fall ist. Die Frage, ob Frauen zu Weiheämtern zugelassen werden, stellt sich anderswo noch gar nicht, weil es für Frauen nicht einmal die Möglichkeit gibt, Theologie zu studieren. Während Polygamie in afrikanischen Ländern häufig zur tradierten Lebenswirklichkeit gehört, sind solche Themen in Deutschland noch nicht angekommen. Jedes Land hat seinen eigenen Blick.
Aus weltkirchlicher Sicht stellte sich während der Diskussion vor allem die Frage, ob der Glaube universell gehandhabt werden kann oder muss. Ob es nicht auch Spielraum innerhalb der katholischen Kirche auf den verschiedenen Kontinenten gibt?
Kolping International will Universalität üben
Um das zu beantworten, wagte Markus Demele, Generalsekretär von Kolping International, einen kurzen Ausblick in die Geschichte der Missionierung. Es sei eine "europäische Theologie gewesen", die der Ausgangspunkt der Missionierung war. Diese musste allerdings auf unterschiedliche kulturelle Kontexte angepasst werden, damit die Botschaft Jesu auch auf anderen Kontinenten wirkt, damit die Botschaft Jesu von der Bevölkerung angenommen und in die eigene Kultur mit aufgenommen werden kann. Es zeigte sich, dass sich der christliche Glaube schon einige Male als erstaunlich anpassungsfähig erwiesen hat. In der Fachwelt wird dieses Phänomen mit dem Wort "Inkulturation" diskutiert.
Demele vertrat die Meinung, dass sich in Europa ein kultureller Wandel vollzogen hat, dass sich die Bedürfnisse der Menschen verändert hätten und der Glaube nun auch den neuen Bedürfnissen angepasst werden müsste: "Die Inkulturation des Evangeliums ins Hier und Heute in Europa findet jetzt im Synodalen Weg statt."
Der Generalsekretär von Kolping International merkte an, dass der Kolpingverein über 170 Jahre gewachsen sei. Er würde nicht so groß sein, wenn er nicht "bestimmte Lernbewegungen" mitgemacht hätte. Kolping vereint 400.000 Mitglieder aus über 100 Kulturen in über 60 Ländern. Mit dem Verein wolle man "Universalität üben, ohne Uniform zu sein".
Aus seiner Arbeit wisse er auch, dass es im Katechismus heute schon eine viel größere Varianz gebe, als manch einer einem glaubhaft machen möchte. "Der Umgang mit Sexualität, mit dem Zölibat in afrikanischen Ländern ist nicht so textbuchartig, wie es vielleicht manchmal den Anschein haben mag, oder wie es gefordert wird."
Bischof Ndi-Okalla sieht Deutsche auf Sonderweg
Joseph-Marie Ndi-Okalla, der Bischof von Mbalmayo in Kamerun, hat unter anderem Bonn studiert. Er kennt die deutsche Lebensweise und die der Menschen in Kamerun. Er vertrat die Meinung, dass die Fragen des Synodalen Wegs besser in den Gemeinden diskutiert werden sollten. Er nannte den Synodalen Weg einen "Sonderweg" und ließ durchblicken, dass er ihm mit Skepsis begegnet. Wobei er auch zugab: "Inkulturation galt auch als Sonderweg Afrikas." Und was haben die Kirchenväter dabei gemacht? "Glaube und Kultur, Glaube und Evangelium zusammengebracht und artikuliert."
Er beklagte den "Klerikalismus, also diese Selbstbezogenheit und Selbstreferenzialität von Priestern". In seinen Gemeinden stellen sie die wichtigen Fragen, wie etwa die der Stellung von Frauen in der Kirche, direkt an der Basis. Sie würden als Fragebogen an die katholischen Verbände, Laien, Jugendvereine weitergeleitet. Er glaubt, dass solche Veränderungsprozesse im Dialog miteinander stattfinden müssen, Missbrauch eine persönliche Sünde sei und dass man auf das Wort Gottes hören müsse: "Ich glaube nicht, dass wir eine Gesamtlösung zu den Themen haben." Ob der Vatikan in diese Entscheidungen einbezogen werden müsse? "Der Vatikan muss nicht ins Boot genommen werden", sagte er.
Bezogen auf die Frage nach der Stellung von Frauen, erzählte er aus den persönlichen Erfahrungen. Es gehe weniger um Macht, mehr um Verantwortung. Seine 95-jährige Mutter sei "nicht geweihte Diakonin und wenn sie spricht, hört der Pfarrer zu."
Kalbarczyk: "Frauen fehlt Anerkennung"
Damit sprach er einen Punkt an, der Nora Kalbarczyk schon bei der Durchführung der Studie aufgefallen war. Häufig fehle vor allem den Frauen in der Kirche die Anerkennung. Würde einer Frau in der Kirche von einem Pfarrer, wie im Beispiel Ndi-Okallas, zugehört werden, gehe damit auch Anerkennung einher. Viele Frauen würden "nicht länger als Putzfrau in der Kirche sein" wollen. Sie sieht im Prozess des Synodalen Weges das Potential zur Veränderung und betonte: "Der Weg ist das Ziel."
Manchen sei dieser Weg allerdings zu lang, wie DOMRADIO.DE-Moderatorin Susanne Becker-Huberti feststellte. Sätze, die sie häufig schon gehört hat. Auch von Menschen, die jahrelang engagiert in der Kirche gewirkt haben: "Jetzt ist Schluss. Meine Realität zur Sexualmoral, oder zur Position der Frau, ist weit entfernt von dem, was eigentlich meine Heimat ist – von der katholischen Kirche." Ob die Geduld für einen weiteren langen Weg vorhanden sei, fragte sie.
Demele dementierte. Auch er glaube nicht, dass der Kirche viel Zeit bleibe. Auch Konservative müssten realisieren, dass es sich beim Synodalen Weg nicht um eine "lutherische Initiative" oder Reformeifer handelt. Vielmehr sei der Schmerz der Menschen, die nach Veränderung rufen, echt. "Es muss sich etwas tun."