Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat am Montag in Bonn mit der Beratung ihres diesjährigen Schwerpunktthemas begonnen. Unter dem Titel "Zukunft auf gutem Grund" will das Kirchenparlament beraten, wie die Aufmerksamkeit durch das 500. Reformationsjubiläum für die unter Mitgliederverlust leidende Kirche genutzt werden kann. Das sei eine Aufgabe, "die alle Erfahrung und Kreativität" sowie Weitblick brauche, sagte die Präses der Synode, Irmgard Schwaetzer, zum Auftakt. Die 120 Synodalen sollen ein Papier erarbeiten, das Anstöße für mögliche Reformen gibt.
Wie auf Menschen zutreten?
Die evangelische Kirche hat Schwaetzer zufolge im Jahr des Reformationsjubiläums vor allem die Erfahrung gemacht, dass neue Formate an ungewöhnlichen Orten Menschen angelockt haben. Gleichzeitig stellt ein Papier des Synodenpräsidiums zum Schwerpunktthema fest, dass die öffentliche Präsenz des Themas Reformation nicht identisch damit gewesen sei, auch Menschen mit der Glaubensbotschaft zu erreichen.
Das Papier formuliert Thesen und Fragen zur Kommunikation und Beteiligungsmöglichkeiten in der evangelischen Kirche. Konkret wird an einer Stelle etwa gefragt, ob das Kirchenmitgliedschaftsrecht vielfältiger gestaltet werden kann, um Menschen entgegenzukommen, die sich "zugehörig" fühlen, aber nicht gleich Kirchenmitglied werden wollen.
Mehr digitale Angebote
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hatte am Sonntag die Kirchen vor einer Überforderung der Menschen gewarnt. Hinweise und Anregungen zu einer offenen Flüchtlingspolitik und zu tatkräftiger Nächstenliebe bei der Integration von Flüchtlingen hätten nicht wenige als unter Druck setzende Durchhalteparolen empfunden, räumte der bayerische Landesbischof am Sonntag zum Auftakt der EKD-Synode in Bonn selbstkritisch ein. Zugleich mahnte er eine stärkere Öffnung der Kirche für junge Menschen und mehr digitale Angebote an.
"Kirche ist für junge Menschen weithin nicht mehr relevant", sagte er und bezeichnete die Beteiligung junger Leute als eine zentrale Herausforderungen für die Kirche der Zukunft. Sie müssten deshalb stärker in Entscheidungen und Gremien eingebunden werden. Die Befunde über den "Traditionsabbruch" seien alarmierend. Die Kirche müsse sich fragen, wie sie die Lebenskultur junger Menschen besser aufnehmen und für Jugendliche zur Heimat werden könne, etwa durch Gottesdienste am Abend und mit "postmodernen Elementen".
Nicht zu stark moralisieren
Eine wichtige Rolle spiele die digitale Kommunikation: "Erschließt sich die Kirche die digitalen Räume nicht, verpasst sie einen entscheidenden Lebensraum junger Menschen", warnte Bedford-Strohm in seinem Bericht vor der Synode. Für "Digital Natives" sei Kirche weniger ein Ort als vielmehr ein Netzwerk mit virtuellen Formen von Gemeinschaft. Die Synode befasst sich am Montagabend mit Folgen der Digitalisierung.
Der EKD-Ratsvorsitzende warnte die Kirchen vor einem Moralisieren. Es gehe der evangelischen Kirche keineswegs um ein Handeln aus schlechtem Gewissen, political correctness oder den Versuch der moralischen Selbsterhöhung, sondern um ein Handeln aus Freiheit, betonte der EKD-Ratschef. Die Kirche sollte ihre Positionen mit "werbender Vernunft" in die Öffentlichkeit tragen.
Zugleich hob Bedford-Strohm die gewachsene Nähe von Protestanten und Katholiken im Jahr des 500. Reformationsjubiläums hervor. Zwar gebe es weiterhin "gewichtige Hürden auf dem Weg zu einer sichtbaren Einheit in versöhnter Verschiedenheit". Sie seien aber "überwindbar und nicht notwendigerweise kirchentrennend". Synodenpräses Irmgard Schwaetzer rief die beiden großen christlichen Kirchen mit Blick auf die Mitgliederverluste zu mehr Gemeinsamkeiten auf.
Woelki würdigt Einladung an Katholiken
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki würdigte in einem Grußwort, dass die EKD nicht Spaltung und Zwietracht zelebriert habe, sondern "ein Fest Christi und seiner Gnade". Dazu hätten sich die Katholiken "herzlich gerne" einladen lassen.
Die EKD-Botschafterin für das Reformationsjubiläum, Margot Käßmann, unterstrich die internationale Dimension des Festjahres. Das sei ihr "wichtig, wo in diesem Jahr so viel Nationalismus aus der Mottenkiste der Geschichte geholt wurde", sagte sie zur Bilanz des Jubiläumsjahres und verwies auf Ausstellungen, Veranstaltungen und Diskussionen über die Reformation und ihre Folgen, die sie im Ausland besucht habe. Die evangelische Kirche hatte bis Ende Oktober 500 Jahre Reformation gefeiert.