Mit einem Mix aus Vorfreude, Hoffnung und Sorge bereiten sich die Christen in Syrien derzeit auf das Weihnachtsfest vor. Nach dem "Blitzkrieg" islamistischer Milizen, dem Sturz des Assad-Regimes und der Machtübernahme durch die neuen Gruppen werde das Fest diesmal "ohne Veränderungen", zugleich aber auch "völlig anders" sein, heißt es aus der Franziskaner-Kustodie in Jerusalem, die rund ein Dutzend Klöster und Pfarreien in Syrien unterhält.
"In allen Kirchen des Landes bereiten wir uns auf das Weihnachtsfest vor", betont der katholische Bischof Hanna Jallouf, der seit einem Jahr als Apostolischer Vikar den Kirchenbezirk des nordsyrischen Aleppo leitet. "Wir haben in den Kirchen die Weihnachtskrippen und Weihnachtsbäume aufgestellt und werden mit den Gläubigen ein Triduum [eine Dreitagefeier, Anm. d. Red.] der Vorbereitung abhalten, insbesondere durch das Sakrament der Buße", schreibt er in seinem Bericht an die Kustodie.
"Viele Menschen trauern"
Die neuen Machthaber hätten die Christen eingeladen, ihre Liturgie wie gewohnt zu feiern, betont Jallouf. Allerdings seien Vorsicht und Rücksicht geboten. Denn "viele Menschen um uns herum trauern nach all
den Jahren, in denen so viel Blut vergossen wurde". Daher hatten sich die Christen darauf verständigt, Weihnachten ohne öffentliche Feiern zu begehen und sich auf die Gottesdienste in den Kirchenräumen zu konzentrieren. Eine Entscheidung, wie sie auch bereits die Christen in Bethlehem und an weiteren Orten im ganzen Heiligen Land getroffen hatten.
Mit Blick auf die Ausgangssperre haben die Christen in Syrien die Messe zur Weihnachtsnacht auf 18 Uhr vorverlegt. Am Weihnachtstag selbst wird Jallouf in Aleppo eine feierliche Messe feiern, die auch vom einst regimefeindlichen und heute staatlichen TV-Sender Syria übertragen werden soll.
Vom Terroristen zum Staatsmann?
Der Bischof blickt zuversichtlich in die syrische Zukunft. Er kenne den neuen starken Mann Abu Mohammed al-Dschulani direkt aus der Zeit, als er in der Region Idlib Anführer der dschihadistischen Al-Nusra-Front war, die im Laufe der Jahre Namen und Gesicht wechselte, heißt es in dem Bericht. Der Kirchenmann hatte während des Krieges in der Region Idlib gelebt und dort jahrelang das "schlimmste Gesicht des islamischen Dschihad" kennengelernt. Das habe sich aber ab 2018 gewandelt, als man begann, über die Gründung eines Staates nachzudenken.
"Sie haben ihre Haltung gegenüber uns Christen geändert, sie haben uns alles zurückgegeben und sie haben gehalten, was sie versprachen", so Jallouf: "Wenn sie diesen Weg weitergehen, gibt es Hoffnung."
Allerdings seien unter den Kämpfern verschiedene extremistische Gruppen. Die neuen Machthaber müssten zum einen versuchen, die Freiheit zu fördern, zum anderen den Fundamentalismus und Extremismus solcher Gruppen eingrenzen und unterbinden.
Skeptischer äußerte sich unterdessen Vincent de Beaucoudrey, Direktor des Jesuitischen Flüchtlingsdienstes in Syrien. Die neuen Machthaber hätten zwar die Dekorationen in den Kirchen und an deren Fassaden zugelassen. In diesem Jahr könnten die Christen sicher Weihnachten in Frieden feiern, so der Jesuit gegenüber Radio Vatikan. Aber langfristig müsse man beobachten, in welche Richtung sich das Land entwickle.
Syrien ist ein Mosaik
Unterdessen träumt Bischof Jallouf "von einem freien und demokratischen Syrien, in dem Frieden herrscht, Sicherheit herrscht und die Menschen willkommen sind" - egal, welcher Religion und Ethnie
sie angehören. Er sehe Syrien als Mosaik: "Es gibt alle Teile, um ein Mosaik zu bilden, aber wenn man bestimmte Farben wegnimmt, ist das Bild ruiniert. Mein Traum ist ein vollständiges Mosaik von Syrien",
so sein Bericht.
Und auch die Franziskaner-Kustodie in Jerusalem äußerst sich in einer eigenen Stellungnahme zuversichtlich: "Wir hoffen, dass der Demokratisierungsprozess, der hinter den Kräften zu stehen scheint, die in Syrien die Macht übernommen haben, von den Prinzipien der Gastfreundschaft, Toleranz und Multikulturalität inspiriert ist, deren Wiege der Nahe Osten seit jeher ist."