Die Menschen in der belagerten Stadt Madaja hungern. Das syrische Regime hat zwar Hilfslieferungen für die belagerte Stadt Madaja zugestimmt, die hungernden Menschen warten aber offenbar weiter auf Lebensmittel, Medikamente und Trinkwasser. Madaja liegt nordwestlich von Damaskus und wird seit rund einem halben Jahr von Truppen des Regimes und der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah belagert. Sadiqu al Mousllie ist Mitglied des syrischen Nationalrats und Vorsitzender der Initiative für Bürgerrechte in Syrien.
domradio.de: Was wissen Sie von dort, gibt es inzwischen Hilfslieferungen?
Al Mousllie: Bis dato gibt es keine offiziellen Hilfslieferungen. Die Belagerung hält weiter an. Die Menschen sind in einer miserablen Lage – seit Monaten. Das ist nichts Neues. Die Bilder, die bei uns ankommen sind, sind verheerend.
domradio.de: Wie schlimm ist die Lage dort?
Al Mousllie: In Madaja lässt man nach wie vor nichts zu. Die Kinder hungern stark. Auf den Bildern sieht es so, als ob die Haut auf dem Skelett aufliegt. Medikamente werden nicht zugelassen, ebenso wenig wie Nahrungsmittel. Sauberes Trinkwasser wird mancherorts auch sehr knapp. In der islamischen Tradition darf man keine Hunde und Katzen essen. Nun wurden Gelehrte gefragt, ob man nicht eine Ausnahme machen dürfe. Die Leute essen sogar die Blätter von den Bäumen, nur um den Kindern irgendetwas anzubieten. Menschen sterben vor Hunger. Das Regime setzt gezielt Hunger als eine Waffe ein. Und das im Jahre 2016.
domradio.de: Warum belagert Assads Regierung diese Stadt so unbarmherzig und hungert die eigene Bevölkerung aus?
Al Mousllie: Diese Orte sind seit Beginn der Revolution gegen das Assad-Regime vorgegangen. Zunächst erstmal friedlich - bis das Regime angefangen hat, Leute abzuknallen und zu verhaften. Im Laufe der Zeit hat es sich zu einem bewaffneten Wiederstand entwickelt. Westlich dieser Orte sind die Milizen Hisbollahs, die mit der Hilfe des Irans das Assad-Regime unterstützen. Das Konzept lautet: Man möchte das nützliche Syrien verwirklichen. Das heißt: Wenn das Regime, Iran und auch Russland nicht in der Lage sind, die Revolution niederzuschlagen, werden sie auf einen PlanB ausweichen – nämlich das nützliche Syrien. Ein Rumpfstaat, der aus der Küste Syriens besteht. Da würde man sich zurückziehen und bestimmte Orte weglassen. Dafür ist es notwendig, dass man diese Orte mit behalten kann.
domradio.de: Verändert die Offensive der westlichen Allianz und Russlands irgendetwas für die Menschen in Syrien?
Al Mousllie: Man muss sagen – und das haben wir als Aktivisten auch immer gesagt – dass Bombardierungen aus der Luft nichts lösen, weder von der Koalition noch von Russland. Die russischen Luftangriffe haben den Menschen in Syrien keineswegs geholfen – im Gegenteil. Es ist kein Geheimnis: Putin ist in Russland, um dem Regime und nicht um den Syrern zu helfen – und schon gar nicht, um IS-Stellungen anzugreifen. Über 5.500 russische Luftangriffe wurden seit dem 30. September 2015 gefahren. Und nicht einmmal zehn Prozent der Stellungen waren vom IS.
Das Interview führte Dr. Christian Schlegel.