DOMRADIO.DE: Es gibt viele kreative Ideen, Seelsorge digital zu betreiben. Eine davon ist das Video-Journal "Bei euch" der katholischen Citykirche in Wuppertal. Der Name lehnt sich an das Jesus Zitat aus dem Matthäus-Evangelium an: "Ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt". Wie ist dieses digitale Angebot gestaltet?
Dr. Werner Kleine (Pastoralreferent der Citykirche Wuppertal): Wir haben mit der Absage der Gottesdienste vorläufig bis zum 10. April im Erzbistum Köln schon am Wochenende die Beobachtung machen können, dass da von jetzt auf gleich plötzlich die Digitalität Einzug in die Kirchen gehalten hat. Viele Gottesdienste wurden aus leeren Kirchen und nur mit dem Zelebranten gestreamt.
Da fing ich schon an darüber nachzudenken, ob das so sinnvoll ist. Es gibt das Argument, dass die Leute so die Möglichkeit haben, in ihrer heimischen Kirche irgendwie dabeizusein. Aber sind schlecht gestreamte Gottesdienste mit schlechtem Ton, schlechter Ausleuchtung und schlechter visueller Dramaturgie sinnvoll? Es gibt ja schon hervorragende Möglichkeiten gestreamte Gottesdienste aus dem Kölner über DOMRADIO.DE zu beziehen, die andere Kirchengemeinden übernehmen könnten.
Wir können es aber nicht allein beim Streaming von Gottesdiensten belassen. Seelsorge und Pastoral geht ja weit über das rein Liturgische hinaus, was natürlich wichtig ist. Gerade in Zeiten, in denen manche Menschen panisch reagieren und Hamsterkäufen machen, die völlig irrational sind, müssen wir als Kirche irgendwie stabilisierend wirken und etwas entgegen setzen.
Dabei ist mir die Idee zu diesem Video-Journal gekommen, über das wir täglich "Good News" verbreiten, also frohe Botschaften. Oder, um es auf Griechisch zu sagen, Evangelium. Aber es geht nicht nur um das Evangelium aus dem Neuen Testament, sondern auch um gute Nachrichten aus unserer Zeit, der Nachbarschaft oder der Welt. Nachrichten, die wie gute und frohe Botschaften wirken, um so die Häupter aufzurichten und nicht nur Panik zu verbreiten.
DOMRADIO.DE: Sie sind als Citykirche in Wuppertal bekannt für ungewöhnliche Ideen wie die Graffiti-Krippe oder die regelmäßig Platzreden in Wuppertal-Elberfeld. Lassen sich solche Aktionen im Moment noch umsetzen?
Kleine: Die Aktionen mussten wir alle absagen, allein weil es in Wuppertal täglich neue Allgemverfügungen der Stadt gibt. Öffentliche Veranstaltungen sind ohnehin schon untersagt, Zusammenkünfte mit über hundert Personen sind auch abgesagt.
Wir haben schon letzte Woche, als diese Allgemeinverfügungen noch nicht da waren, Risikoabwägung vollzogen und aufgrund dessen Veranstaltungen abgesagt. Man muss die Leute jetzt nicht provozieren, sich in mehr oder weniger größeren Mengen nah beieinander zu stellen, um den Virus so zu verbreiten.
Dabei haben wir als Christen und auch als Kirche eine deutliche Verantwortung, alles zu unternehmen, dass das Leben erhalten bleibt und gerade die Risikogruppen geschützt werden. Das ist für mich auch ein Akt der Nächstenliebe.
DOMRADIO.DE: Sie sagen, Sie wollen quasi die Seelsorge den Menschen nach Hause bringen. Ist das eine Einweg-Kommunikation oder wünschen Sie sich auch Rückmeldungen?
Kleine: In der Tat ist es bei uns so, dass es nicht mehr darum geht, dass ich ein Stream in die Welt sende, sondern dass es auch einen Rückkanal gibt. Natürlich kann man über die Kommentarspalten in Facebook, Twitter, bei YouTube, wohin der Stream eben geleitet wird, uns Rückmeldungen geben. Aber ein Hauptziel ist, dass wir weiter als Ansprechpartner in Wuppertal erreichbar sind und die Citykirche weiterhin für die Leute offenhalten.
Wir haben extra eine E-Mail-Adresse eingerichtet: bei-euch@katholische-citykirche-wuppertal.de lautet diese. Und wir haben unsere Telefonnummer bekannt gegeben, die dann auf mein Handy oder das meiner Kollegin umgeleitet wird, sodass Leute, die Gesprächsbedarf haben, Rat und Hilfe suchen oder einfach, wenn sie einsam sind, jemanden zum Sprechen brauchen, uns anrufen können, sodass wir unseren seelsorglichen Auftrag auf diese Weise weiter aufrechterhalten.
DOMRADIO.DE: Welche Anliegen haben die Menschen?
Kleine: Das Angebot gibt es erst seit zwei Tagen. In den Kommentarspalten und auch per Mail erhalte ich im Moment viel positives Feedback auf die Aktion als solches. Jetzt ist die ganze Sache mit dem Zuhausebleiben und der Aufforderung ja noch frisch.
Gestern Abend habe ich in dem Stream gesagt, das ist ein bisschen wie Frühling. Im Moment ist noch überall große Euphorie und wird nachbarschaftlicher Hilfe angeboten. Im Moment ist der seelsorgliche Gesprächsbedarf noch recht gering. Ich vermute aber, dass in fünf oder sechs Tagen diese anfängliche Euphorie nachlassen wird.
So ein Standard-Spruch, den man als Kirchenmann dann hört, lautet: "Jetzt muss ich mal an mich denken." Das werden wir in ein paar Tagen erleben, dass dann die großen Kräfte des Anfangs nachlassen werden. Ich vermute, dass wir in einer guten Woche stärker nachgefragt werden. Ich ende meinen Livestream immer mit der Aufforderung: "Bleiben Sie gesund und helfen Sie anderen, gesund zu bleiben!"
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.
"Bei Euch" - Video-Journal der Citykirche Wuppertal auf YouTube und als Podcast.