Bahnhöfe stehen nicht nur für Reisen. Sie können auch Orte von Elend, Not und Einsamkeit sein. Um Hilfesuchende am Gleis und auf der Straße kümmern sich die Mitarbeiter der Bahnhofsmission. Die Leiterin der Bahnhofsmission Berlin Ostbahnhof, Ursula Czaika, öffnet zwei Gästen die Tür. Der Wunsch nach einem Kaffee hat die Männer in die Bahnhofsmission gelockt. Sie setzen sich, auf dem Tresen steht schon Gebäck bereit. Der Kuchen ist gratis, der Kaffee kostet 30 Cent.
Die "Reisenden durch das Leben - ohne Gepäck und Fahrkarte", wie die Leiterin ihre meist wohnungs- oder mittellosen Gäste nennt, finden in der Hilfseinrichtung mit katholischem Träger aber vor allem etwas, das es für Geld nicht zu kaufen gibt: Wärme, Menschlichkeit und ein offenes Ohr. "Der persönliche Kontakt ist unser Hauptgeschäft. Anschauen, hereinbitten, Kaffee anbieten. Wir nehmen jeden wohlwollend auf", erklärt Czaika.
Seismograph der Gesellschaft
Zwischen 80 und 170 Gäste am Tag betreut das Team aus vier hauptamtlichen Mitarbeitern und rund 20 Ehrenamtlichen in der Bahnhofsmission am Ostbahnhof. Mit seiner mehr als 120-jährigen Geschichte ist der Standort die älteste Niederlassung in ganz Deutschland, die außerdem als einzige dem DDR-Regime trotzen konnte.
Czaika sieht die Einrichtung als Seismograph der Gesellschaft. "Die Erschütterungen sehen wir hier." Wichtig sei vor allem das Gespräch mit Besuchern. "Vor Gott sind alle Menschen gleich", sagt sie. "Weil wir uns geliebt fühlen, machen wir weiter. Egal, wie düster es aussieht."
Vielfältige Aufgaben
Lichtdurchflutet und modern ist der jüngste und ökumenisch organisierte Standort am Hauptbahnhof. Rund 40 Sitzplätze hat die Einrichtung, die das Team aus sechs jungen Freiwilligen, 20 Ehrenamtlichen und zwei Hauptamtlichen betreut. "Ein- und Umstiegshilfe am Gleis ist unser Schwerpunkt", erklärt Paul-Hartwig Bulitta, einer der Hauptamtlichen. Wenn ein Reisender etwas im Zug vergessen hat oder bestohlen wurde, ist die Bahnhofsmission die erste Anlaufstelle. Das Team hilft bei den ersten Schritten und vermittelt weiter. Zusätzlich betreuen rund 25 Ehrenamtliche alleinreisende Kinder auf Bahnfahrten.
Ein paar S-Bahn-Stationen entfernt liegt der Bahnhof Zoo. Spätestens seit dem 1978 erschienenen Buch "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" über die jugendliche Drogenabhängige Christiane F. ist die Station als Brennpunkt auch über die Grenzen der Hauptstadt hinaus bekannt. Zur Mittagszeit und am Nachmittag stehen die Gäste hier Schlange - für eine warme Mahlzeit oder ein Stück Kuchen. Geschlossene Türen kennen die rund 400 Haupt- und Ehrenamtlichen der evangelisch getragenen Einrichtung nicht - geöffnet ist rund um die Uhr, das ganze Jahr hindurch.
Warme Mahlzeiten, Brot und Kuchen
In der Einrichtung sticht die offene Küche ins Auge. Mittags gehen warme Mahlzeiten über den Tresen, am Nachmittag sind es Brote oder Kuchenstücke. An diesem Nachmittag gibt es kleine Himbeertörtchen - die Spende einer Konditorei. Die Ehrenamtliche Conny und ihr Mann Andre helfen seit zwei Jahren jeden Dienstag. Einmal hatten sie sogar ihre kleine Enkeltochter dabei. "Die Gäste lebten auf, als die Kleine herumlief und Kaffee und Kuchen verteilte", erzählt die Krankenschwester in Rente.
Nicht alle Gäste hier sind wohnungslos. Manche haben zwar ein Dach über dem Kopf, können sich dann aber keine Nahrungsmittel mehr leisten, wissen Conny und Andre. Manchmal gibt es auch Probleme, wenn Besucher betrunken oder aggressiv sind, erzählen sie. «Aber insgesamt ist der Kontakt mit den Gästen das, was uns antreibt», sind sie sich einig. Manche hätten sie auch schon in der Stadt getroffen, erzählt Conny. "Dann gibt es ein Lächeln und ein kleines Gespräch."