Tagung analysiert Trauerfeiern nach Großkatastrophen

Was ist angemessen?

Auf tragische Unglücke folgt die öffentliche Trauer. Zuletzt wurde dies durch den Absturz der Germanwings-Maschine wieder deutlich. Die Kirchen sind immer noch Ansprechpartner Nummer Eins, wenn es darum geht, der Trauer eine Form zu geben.

Kerzen für die Opfer (dpa)
Kerzen für die Opfer / ( dpa )

Bei der Trauerfeier für die Opfer der Germanwings-Katastrophe unlängst im Kölner Dom war nichts dem Zufall überlassen. Sie war im besten Sinne professionell bis ins Detail geplant. «Daran misst sich die Qualität einer solchen hochemotionalen Feier, hier darf nichts einfach so aus dem Ärmel geschüttelt werden», erklärt der evangelische Notfallseelsorger Klaus Andrees. Er war in der Kölner Vorbereitungsgruppe und plant gerade den Gottesdienst zum fünften Jahrestag des Duisburger Loveparade-Unglücks von 2010. Auf einer dreitägigen interdisziplinären Fachtagung tauschen sich seit Donnerstag in Erfurt Experten über ein noch recht junges Phänomen aus: Trauerfeiern nach Großkatastrophen. 

Bibel, Lieder, Kerzen

Bei der öffentlichen Trauerkultur in den vergangenen 15 Jahren hätten sich inzwischen gewisse Elemente etabliert, etwa bestimmte Bibeltexte, Lieder und ein Kerzen-Ritual, erläutert der katholische Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann. Er leitet an der Universität Erfurt ein Forschungsprojekt zu dem Thema. Zugleich zeichne sich eine Entwicklung ab: «Bislang wird hier eine Art Ritenkompetenz den christlichen Kirchen zugeschrieben, aber die Einbeziehung etwa von Muslimen stellt sich mehr und mehr.» So habe bei der Trauerfeier in Köln erstmals eine muslimische Notfallbegleiterin eine Fürbitte gesprochen. Zugleich müsse man sich der Kritik von humanistischen Verbänden stellen: Wieso obliegt in einer säkularen Gesellschaft die Gestaltung solcher Trauerfeiern den Kirchen?

Für den Sozialethiker Christof Mandry zeigt sich in der Form der Trauerfeiern ganz deutlich das bestehende nationale Kirche-Staat-Verhältnis: «Es wird deutlich, wie weit sich der Staat von den Religionsgemeinschaften grundsätzlich abgrenzt.» In den stärker säkularisierten Niederlanden etwa stellen die Kirchen nach Großkatastrophen lediglich den Raum für die öffentliche Trauerfeier, wirken aber nicht oder nur am Rande bei der Gestaltung mit. In Deutschland hingegen sei es üblich, dass der Staat die Kirchen bitte, die Trauerfeier zu gestalten, die den Staatsakt ergänze.

Viele Fragen – keine Antworten

Für Kranemann stellt sich darüber hinaus die Frage nach einer angemessenen Form und Qualität von Theologie bei solchen Trauerfeiern: «Wie gehe ich mit dem Verhältnis von Klage und Hoffnung um? Muss immer alles mundgerecht sein oder ist es nicht auch gut, weitergehende Fragen zu stellen, auf die es keine Antworten gibt? Wie gehe ich mit der Frage um, warum Gott das alles zulässt?»  Unerlässlich ist nach Ansicht von Notfallseelsorger Andrees, dass die Predigt bei solchen Trauerfeiern klar die aktuelle Situation beschreibe, Trauer und Wut thematisiere und die Warum-Frage stelle.

«Es darf in solch einer Predigt keine Tabus geben, sondern die Fragen, die sich die Angehörigen stellen, müssen zur Sprache kommen», so Andrees. «Der Geistliche kann einen Erklärungsversuch aus christlicher Perspektive anbieten, sollte aber auch immer deutlich machen, dass er kein Patentrezept hat.» Gut sei, wenn der Prediger Mut zum Trauern mache und auch seine eigenen Empfindungen schildere. «Die Authentizität der Liturgen bestimmt die Wirkung auf die Hinterbliebenen», so Andrees.

Beratender Akteur bei den Trauerfeiern ist von staatlicher Seite das Bonner Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Thomas Knoch von der dortigen Koordinierungsstelle für Nachsorge, Opfer- und Angehörigenhilfe schult auch gezielt Politiker, wie sie sich in solchen Situationen verhalten sollten: «Die Gesellschaft erwartet, dass Politiker dort präsent sind, aber viele sind mit der Wucht der Emotionen in dieser Situation auch überfordert. Einige fragen uns: Soll ich das Unglück überhaupt ansprechen.» Selbst Polit-Profis wie Bundeskanzlerin Merkel oder Bundespräsident Gauck lassen sich von Knochs Team immer noch mal briefen.

Medien immer dabei

Die Trauerfeiern sind stets auch ein Medienevent. Neu war für Kranemann jedoch, dass er beim Germanwings-Unglück von zahlreichen Journalisten angefragt wurde, was eine angemessene Berichterstattung sei: «Das sei eine neue Entwicklung und neue Qualität journalistischer Selbstreflexion.»


Trauerfeier (dpa)
Trauerfeier / ( dpa )