Taizé-Prior will Betroffene in den Mittelpunkt stellen 

"Wir können keine Ereignisse entschuldigen"

Frère Matthew, der Prior von Taizé, hat den richtigen Umgang gefordert mit Betroffenen sexualisierter Gewalt im religiösen Umfeld. Zuallererst und vorrangig müsste man ihren Stimmen Aufmerksamkeit schenken.

Autor/in:
Stephan Cezanne
Jugendliche beim Treffen in Taizé. / © Elena Hong (DR)
Jugendliche beim Treffen in Taizé. / © Elena Hong ( DR )

"Wir können versuchen, aus der Vergangenheit zu lernen, indem wir den Betroffenen zuhören", sagte der Leiter der christlichen Bruderschaft im französischen Burgund dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Uns geht es darum, zerstörtes Vertrauen wieder aufzubauen. Und das ist nie einfach." 

2019 veröffentlichte die Gemeinschaft eine Erklärung mit dem Titel "Unser Bemühen um Wahrhaftigkeit", in der darauf hingewiesen wurde, dass es zu mehreren Fällen von sexualisierter Gewalt durch Brüder der Gemeinschaft gekommen sei. Im Laufe der Zeit wurde diese Erklärung mehrmals aktualisiert. Mittlerweile erarbeitet ein unabhängiges Meldeteam, das von den Brüdern beauftragt wurde, einen jährlich erscheinenden Tätigkeitsbericht. Als eine von mehreren Maßnahmen wurde im Jahr 2010 eine Internetseite mit Informationen zum Schutz von Personen sowie eine eigene E-Mail-Adresse eingerichtet, die es erleichtern soll, Übergriffe zu melden.

Was zerbrochen ist, können wir "nicht vollständig reparieren" 

Frère Matthew, der Ende 2023 das Amt des Priors von Frère Alois aus Deutschland übernommen hatte, erklärte: "Wir können keine
Ereignisse entschuldigen, die eigentlich nicht hätten passieren dürfen." Er betonte die ständige Lernbereitschaft: "Wir sind immer im Prozess des Lernens. Sobald wir glauben, alle Fragen beantwortet zu haben, machen wir einen großen Fehler." Der Prior, der 1965 in Pudsey, Großbritannien, als Andrew Thorpe geboren wurde, unterstrich jedoch auch: "Das Wichtigste ist zu begreifen, dass wir das, was zerbrochen ist, nicht vollständig reparieren können. Diese Realität müssen wir akzeptieren." 

Frère Matthew / © Marija Poklukar (privat)
Frère Matthew / © Marija Poklukar ( privat )

Zu weiteren Schutzmaßnahmen vor Übergriffen sagte Frère Matthew dem epd: "Die Brüder durchlaufen kontinuierliche Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen. Bei Ankunft in Taizé erhalten unsere Freiwilligen eine Einführung zum Thema Personenschutz. Außerdem findet jede Woche ein Workshop für die Gäste statt, in dem wir diese Fragen diskutieren und in einen Dialog mit den Gästen treten. So können wir heute angemessener handeln, um dadurch diesen Ort für alle sicherer zu gestalten.

Die ökumenische Bruderschaft von Taizé wurde in den 1940er Jahren von dem reformierten Theologen Roger Schutz (1915-2005) in dem kleinen Dorf Taizé bei Cluny in Südburgund (Frankreich) gegründet. Die Kommunität inspiriert seither Tausende Jugendliche. Bekannt sind die großen Jugendtreffen zum Jahreswechsel in einer europäischen Hauptstadt. 

Taizé

Taizé ist ein Symbol der ökumenischen Bewegung. Der Ort im südlichen Burgund ist Sitz einer christlichen Gemeinschaft und wurde zum Treffpunkt für Jugendliche aus aller Welt. Der Bruderschaft gehören rund 100 Männer aus etwa 30 Ländern an, die aus der evangelischen und katholischen Kirche stammen. Von ihnen lebt etwa ein Viertel in kleinen Gemeinschaften in Asien, Afrika und Südamerika. Diese Brüder teilen ihr Leben mit Straßenkindern, Gefangenen, Sterbenden und Einsamen.

Hände beim Taizé-Gebet / © Harald Oppitz (KNA)
Hände beim Taizé-Gebet / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
epd