Tawadros ist neuer Kopten-Papst

Fackel im Sturm

Die koptischen Christen haben ein neues Oberhaupt: Das Los fiel auf Weihbischof Tawadros. Die Aufgaben, die auf den 118. Nachfolger des Evangelisten Markus warten sind groß. Denn die koptische Gemeinde steht politisch mehr denn je unter Druck. Erzbischof Zollitsch ermutigte Tawadros, den Weg der nationalen Versöhnung in Ägypten fortzusetzen.

 (DR)

Gemäß dem ungewöhnlichen traditionellen Ritus der koptischen Christen zog ein kleiner Junge mit verbundenen Augen am Sonntag in der Kairoer Markuskathedrale aus einem gläsernen Gefäß ein gefaltetes Papier mit einem von drei Namen. So fiel das Los auf Tawadrus (60), bislang Weihbischof im oberägyptischen Beheira im Nildeta. Er ist das künftige Oberhaupt der Kopten weltweit, deren Zahl zwischen rund acht bis mehr als zwölf Millionen geschätzt wird.



Die Aufregung und der Jubel in der voll besetzten Kathedrale waren riesig. Ebenso riesig wie die Erwartungen an jene Medizin, die der studierte Pharmazeut seinen Christen nun anzubieten hat. Denn die koptische Gemeinde steht politisch mehr denn je unter Druck. Die Wahl des Nachfolgers für den im März verstorbenen Patriarchen von Alexandria und ganz Ägypten, Papst Schenuda III., wurde um einen Monat vorgezogen. Zu groß scheinen die Aufgaben, die auf den 118. Nachfolger des Evangelisten Markus warten.



Zollitsch: Ägypten braucht Religionsfreiheit

In seinem Glückwunschschreiben an Bischof Tawadros würdigte Erzbischof Zollitsch den Beitrag der koptischen Kirche zum Aufbau einer friedlichen Gesellschaft in Ägypten. Er wünschte dem bisherigen Weihbischof "Gottes Segen für die große und verantwortungsvolle Aufgabe, die vor Ihnen liegt". Die koptische Kirche habe im vergangenen Jahr wesentlich zur friedlichen Revolution in Ägypten beigetragen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz ermutigte die Kopten den Weg der nationalen Versöhnung fortzusetzen und entschlossen am Aufbau der Zivilgesellschaft mitzubauen.



Ägypten durchlebe derzeit eine schwierige Phase seiner Geschichte, urteilte Zollitsch. "Immer wieder ist es zu Gewalttaten gegen die christliche Minderheit gekommen, und manche islamistischen Kräfte versuchen, dem Staat ein einseitig muslimisches Gepräge zu geben, das dem multireligiösen Charakter der Gesellschaft nicht entspricht." Ägypten brauche Religionsfreiheit, betonte der Freiburger Erzbischof. Ein friedliches Zusammenleben sei in Ägypten ohne die koptischen Christen nicht möglich. "Deshalb bete ich für Sie und das koptische Christentum, dass die Spannungen in der Bevölkerung zurückgehen und eine friedliche Koexistenz auch weiterhin möglich sein möge", so Erzbischof Zollitsch.



Dem greisen Schenuda III. wurde vorgeworfen, im Arabischen Frühling 2011 zu vorsichtig gewesen zu sein. Tatsächlich hatte der 88-Jährige immer wieder gewarnt, für seine Christen könne es nach einer Vertreibung von Staatspräsident Hosni Mubarak noch schlimmer kommen, als es für die diskriminierte Minderheit eh schon war. Doch vor allem unter der ungeduldigen christlichen Jugend schlossen sich viele den Rufen der Demonstranten auf dem Tahrir-Platz an. Sie wollten gleichberechtigt ein freies Ägypten mitgestalten, über die Religionsgrenzen hinweg.



Übergriffe auf Christen haben zugenommen

Die Befürchtungen des verstorbenen Patriarchen scheinen sich seitdem zu bewahrheiten. Islamische und islamistische Kräfte bestimmen den Kurs der Straße; Übergriffe auf Christen, die es seit jeher gab, haben stark zugenommen. Vor allem aber herrscht ein Klima der Einschüchterung und Angst, das noch mehr Kopten als früher über eine Auswanderung nachdenken lässt. Oft reichen Gerüchte, um Christen um ihr Hab und Gut oder ins Gefängnis zu bringen.



Ägyptens neuer Machthaber Mohammed Mursi von der Muslimbruderschaft wird einem strengen, aber politisch eher gemäßigten Islam zugerechnet. Und er hat bereits zugesagt, am 18. November an der Amtseinführung des neuen Patriarchen in Kairo teilzunehmen. Mursi verspricht den Christen Schutz und Unterstützung - doch tatsächlich stehen in deren Alltag allzu oft weder Polizei noch Richter bereit, ihre Rechte zu verteidigen. Längst haben die radikalen Salafisten in Ägypten eine eigene Machtbasis und könnten der Muslimbruderschaft den Rang ablaufen.



In dieser ernsten bis verzweifelten Lage richtet sich alle Hoffnung der Kopten auf einen neuen, weisen, starken Mann. Doch welchen Kurs soll der neue Papst Tawadros einschlagen? Welche Mittel hat er dafür zur Verfügung? Oder wie einst Stalin mit Blick auf Rom spöttisch gefragt haben soll: "Wie viele Divisionen hat der Papst?" Soll sich Tawadrous II. eher von der Regierung abgrenzen und sie in die Pflicht nehmen oder sie - wie früher sein Vorgänger bei Mubarak - als das geringere Übel ansehen und wo möglich kooperieren? Soll er den Exodus zu stoppen versuchen oder die Exilgemeinden stärken? Am besten beides.



Von Tawadros, geboren am 4. November 1952 im oberägyptischen Mansoura als Wajih Sobhi Baki Solayman, heißt es, er wünsche sich eine offene Gesellschaft und ein friedliches Nebeneinander von Muslimen und Christen. Das wäre ein zwar konsensfähiger, aber einstweilen frommer Wunsch. Und doch hat das Los - und damit nach koptischem Verständnis Gottes Wille - für den Pharmazeuten aus dem Nildelta entschieden. Es ist nicht ohne Symbolik, dass Tawadros am Tag der Wahl seinen 60. Geburtstag feiern konnte. Es ist ein neues Leben, das ihn nun in seinem schweren Amt erwartet.



Der deutsche Koptenbischof Anba Damian sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) telefonisch aus Kairo, Bischof Tawadros sei aufgeschlossen und weltoffen. Er schätze die Ökumene und habe bereits langjährige Auslandserfahrung.



In der heutigen Zeit sei es keine leichte Aufgabe, koptischer Papst in Ägypten zu sein, sagte Damian weiter. Vor dem neuen Kirchenoberhaupt lägen großen Herausforderungen. "Er muss den Dialog mit den Muslimen und der Regierung führen", sagte der Generalbischof der koptischen Kirche in Deutschland. Außerdem müsse er sich für die Einhaltung der Menschenrechte sowie für die Interessen der koptischen Christen einsetzen.



Notwendig sei es zudem, die Identität der Kirche zu stärken und die koptischen Christen im In- und Ausland stärker zusammenzubringen, sagte der Generalbischof, der seinen Amtssitz in Höxter in Westfalen hat. Viele christliche Gläubige litten unter der Verfolgung, viele seien traumatisiert.